The Project Gutenberg EBook of Die zaertlichen Schwestern
by Christian Fuerchtegott Gellert

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Title: Die zaertlichen Schwestern

Author: Christian Fuerchtegott Gellert

Release Date: November, 2005 [EBook #9327]
[Yes, we are more than one year ahead of schedule]
[This file was first posted on September 22, 2003]

Edition: 10

Language: German

Character set encoding: ASCII

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE ZAERTLICHEN SCHWESTERN ***




Produced by Delphine Lettau




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Die zaertlichen Schwestern

Christian Fuerchtegott Gellert

Ein Lustspiel von drei Aufzuegen



Personen:

Cleon
Der Magister, sein Bruder
Lottchen, Cleons aelteste Tochter
Julchen, dessen juengste Tochter
Siegmund, Lottchens Liebhaber
Damis, Julchens Liebhaber
Simon, Damis' Vormund




Erster Aufzug



Erster Auftritt

Cleon.  Lottchen.


Lottchen.  Lieber Papa, Herr Damis ist da.  Der Tee ist schon in dem
Garten, wenn Sie so gut sein und hinuntergehen wollen?

Cleon.  Wo ist Herr Damis?

Lottchen.  Er redt mit Julchen.

Cleon.  Meine Tochter, ist dir's auch zuwider, dass ich den Herrn Damis
auf eine Tasse Tee zu mir gebeten habe?  Du merkst doch wohl seine
Absicht.  Geht dir's auch nahe?  Du gutes Kind, du dauerst mich.
Freilich bist du aelter als deine Schwester und solltest also auch eher
einen Mann kriegen.  Aber...

Lottchen.  Papa, warum bedauern Sie mich?  Muss ich denn notwendig eher
heiraten als Julchen?  Es ist wahr, ich bin etliche Jahre aelter; aber
Julchen ist auch weit schoener als ich.  Ein Mann, der so vernuenftig,
so reich und so galant ist als Herr Damis und doch ein armes
Frauenzimmer heiratet, kann in seiner Wahl mit Recht auf diejenige
sehen, die die meisten Annehmlichkeiten hat.  Ich mache mir eine Ehre
daraus, mich an dem guenstigen Schicksale meiner Schwester aufrichtig
zu vergnuegen und mit dem meinigen zufrieden zu sein.

Cleon.  Kind, wenn das alles dein Ernst ist: so verdienst du zehn
Maenner.  Du redst fast so klug als mein Bruder und hast doch nicht
studiert.

Lottchen.  Loben Sie mich nicht, Papa.  Ich bin mir in meinen Augen so
geringe, dass ich sogar das Lob eines Vaters fuer eine Schmeichelei
halten muss.

Cleon.  Nun, nun, ich muss wissen, was an dir ist.  Du hast ein Herz,
dessen sich die Tugend selbst nicht schaemen duerfte.  Hoere nur...

Lottchen.  Oh, mein Gott, wie demuetigen Sie mich!  Ein Lobspruch, den
ich mir wegen meiner Groesse nicht zueignen kann, tut mir weher als ein
verdienter Verweis.

Cleon.  So bin ich nicht gesinnt.  Ich halte viel auf ein billiges Lob,
 und ich weigere mich keinen Augenblick, es anzunehmen, wenn ich's
verdiene.  Das Lob ist ein Lohn der Tugend, und den verdienten Lohn
muss man annehmen.  Hoere nur, du bist verstaendiger als deine Schwester,
wenn jene gleich schoener ist.  Rede ihr doch zu, dass sie ihren
Eigensinn fahrenlaesst und sich endlich zu einem festen Buendnisse mit
dem Herrn Damis entschliesst, ehe ich als Vater ein Machtwort rede.
Ich weiss nicht, wer ihr den wunderlichen Gedanken von der Freiheit in
den Kopf gesetzet hat.

Lottchen.  Mich deucht, Herr Damis ist Julchen nicht zuwider.  Und ich
hoffe, dass er ihren kleinen Eigensinn leicht in eine bestaendige Liebe
verwandeln kann.  Ich will ihm dazu behuelflich sein.

Cleon.  Ja, tue es, meine Goldtochter.  Sage Julchen, dass ich nicht
ruhig sterben wuerde, wenn ich sie nicht bei meinem Leben versorgt
wuesste.

Lottchen.  Nein, lieber Papa, solche Bewegungsgruende zur Ehe sind wohl
nicht viel besser als die Zwangsmittel.  Julchen hat Ursachen genug in
ihrem eigenen Herzen und in dem Werte ihres Geliebten, die sie zur
Liebe bewegen koennen; diese will ich wider ihren Eigensinn erregen und
sie durch sich selbst und durch ihren Liebhaber besiegt werden lassen.

Cleon.  Gut, wie du denkst.  Nur nicht gar zu lange nachgesonnen.
Ruehme den Herrn Damis.  Sage Julchen, dass er funfzigtausend Taler
bares Geld haette und...  Arme Tochter!  es mag dir wohl weh tun, dass
deine Schwester so reich heiratet.  Je nun, du bist freilich nicht die
Schoenste; aber der Himmel wird dich schon versorgen.  Betruebe dich
nicht.

Lottchen.  Der Himmel weiss, dass ich bloss deswegen betruebt bin, weil
Sie mein Herz fuer so niedrig halten, dass es meiner Schwester ihr Glueck
nicht goennen sollte.  Dazu gehoert ja gar keine Tugend, einer Person
etwas zu goennen, fuer welche das Blut in mir spricht.  Kommen Sie, Papa,
 der Tee moechte kalt werden.

Cleon.  Du brichst mit Fleiss ab, weil du dich fuehlst.  Sei gutes Muts,
mein Kind.  Ich kann dir freilich nichts mitgeben.  Aber solange ich
lebe, will ich alles an dich wagen.  Nimm dir wieder einen
Sprachmeister, einen Zeichenmeister, einen Klaviermeister und alles an.
  Ich bezahle, und wenn mich der Monat funfzig Taler kaeme.  Du bist es
wert.  Und hoere nur, dein Siegmund, dein guter Freund, oder wenn du es
lieber hoerst, dein Liebhaber, ist freilich durch den ungluecklichen
Prozess seines seligen Vaters um sein Vermoegen gekommen; aber er hat
etwas gelernt und wird sein Glueck und das deine gewiss machen.

Lottchen.  Ach lieber Papa, Herr Siegmund ist mir itzt noch ebenso
schaetzbar als vor einem Jahre, da er viel Vermoegen hatte.  Ich weiss,
dass Sie unsere Liebe billigen.  Ich will fuer die Verdienste einer Frau
sorgen, er wird schon auf die Ruhe derselben bedacht sein.  Er hat so
viel Vorzuege in meinen Augen, dass er sich keine Untreue von mir
befuerchten darf, und wenn ich auch noch zehn Jahre auf seine Hand
warten sollte.  Wollen Sie mir eine Bitte erlauben: so lassen Sie ihn
heute mit uns speisen.

Cleon.  Gutes Kind, du wirst doch denken, dass ich ihn zu deinem
Vergnuegen habe herbitten lassen.  Er wird nicht lange sein.

(Siegmund tritt herein, ohne dass ihn Lottchen gewahr wird.)

Lottchen.  Wenn ihn der Bediente nur auch angetroffen hat.  Ich will
selber ein paar Zeilen an ihn schreiben.  Ich kann ihm und mir keine
groessere Freude machen.  Er wird gewiss kommen und den groessten Anteil an
Julchens Gluecke nehmen.  Er hat das redlichste und zaertlichste Herz.
Vergeben Sie mir's, dass ich so viel von ihm rede.

Cleon.  Also hast du ihn recht herzlich lieb?

Lottchen.  Ja, Papa, so lieb, dass, wenn ich die Wahl haette, ob ich ihn
mit einem geringen Auskommen oder den Vornehmsten mit allem Ueberflusse
zum Manne haben wollte, ich ihn allemal waehlen wuerde.

Cleon.  Ist's moeglich?  Haette ich doch nicht gedacht, dass du so
verliebt waerest.

Lottchen.  Zaertlich, wollen Sie sagen.  Ich wuerde unruhig sein, wenn
ich nicht so zaertlich liebte, denn dies ist es alles, wodurch ich die
Zuneigung belohnen kann, die mir Herr Siegmund vor so vielen andern
Frauenzimmern geschenkt hat.  Bedenken Sie nur, ich bin nicht schoen,
nicht reich, ich habe sonst keine Vorzuege als meine Unschuld, und er
liebt mich doch so vollkommen, als wenn ich die liebenswuerdigste
Person von der Welt waere.

Cleon.  Aber sagst du's ihm denn selbst, dass du ihn so ausnehmend
liebst?

Lottchen.  Nein, so deutlich habe ich es ihm nie gesagt.  Er ist so
bescheiden, dass er kein ordentliches Bekenntnis der Liebe von mir
verlangt.  Und ich habe tausendmal gewuenscht, dass er mich noetigen
moechte, ihm eine Liebe zu entdecken, die er so sehr verdienet.

Cleon.  Du wirst diesen Wunsch bald erfuellt sehen.  Siehe dich um,
mein liebes Lottchen.



Zweiter Auftritt

Cleon.  Lottchen.  Siegmund.


Lottchen.  Wie?  Sie haben mich reden hoeren?

Siegmund.  Vergeben Sie mir, mein liebes Lottchen.  Ich habe in meinem
Leben nichts Vorteilhafters fuer mich gehoert.  Ich bin vor Vergnuegen
ganz trunken, und ich weiss meine Verwegenheit mit nichts als mit
meiner Liebe zu entschuldigen.

Lottchen.  Eine bessere Fuersprecherin haetten Sie nicht finden koennen.
Haben Sie alles gehoert?  Ich habe es nicht gewusst, dass Sie zugegen
waeren; um desto aufrichtiger ist mein Bekenntnis.  Aber wenn ich ja
auf den Antrieb meines Papas einen Fehler habe begehen sollen: so will
ich ihn nunmehr fuer mich allein begehen: Ich liebe Sie.  Sind Sie mit
dieser Ausschweifung zufrieden?

Siegmund.  Liebstes Lottchen, meine Bestuerzung mag Ihnen ein Beweis
von der Empfindung meines Herzens sein.  Sie lieben mich?  Sie sagen
mir's in der Gegenwart Ihres Papas?  Sie?  mein Lottchen!  Verdiene
ich dies?  Soll ich Ihnen antworten?  und wie?  O lassen Sie mich
gehen und zu mir selber kommen.

Cleon.  Sie sind ganz bestuerzt, Herr Siegmund.  Vielleicht tut Ihnen
meine Gegenwart einigen Zwang an.  Lebt wohl, meine Kinder, und sorgt
fuer Julchen.  Ich will mit dem Herrn Damis reden.



Dritter Auftritt

Lottchen.  Siegmund.


Siegmund.  Wird es Sie bald reuen, meine Geliebte, dass ich so viel zu
meinem Vorteile gehoert habe?

Lottchen.  Sagen Sie mir erst, ob Sie so viel zu hoeren gewuenscht haben.

Siegmund.  Gewuenscht habe ich's tausendmal; allein, verdiene ich so
viele Zaertlichkeit?

Lottchen.  Wenn mein Herz den Ausspruch tun darf: so verdienen Sie
ihrer weit mehr.

Siegmund.  Nein, ich verdiene Ihr Herz noch nicht; allein ich will
mich zeitlebens bemuehen, Sie zu ueberfuehren, dass Sie es keinem
Unwuerdigen geschenkt haben.  Wie edel gesinnt ist Ihre Seele!  Ich
verlor als Ihr Liebhaber mein ganzes Vermoegen, und mein Unglueck hat
mir nicht den geringsten Teil von Ihrer Liebe entzogen.  Sie haben
Ihre Gewogenheit gegen mich vermehrt und mir durch sie den Verlust
meines Gluecks ertraeglich gemacht, Diese standhafte Zaertlichkeit ist
ein Ruhm fuer Sie, den nur ein erhabenes Herz zu schaetzen weiss.  Und
ich wuerde des Hasses der ganzen Welt wert sein, wenn ich jemals
aufhoeren koennte, Sie zu lieben.

Lottchen.  Ich habe einen Fehler begangen, dass ich Sie so viel zu
meinem Ruhme habe sagen lassen.  Aber Ihr Beifall ist mir gar zu
kostbar, als dass ihn meine Eigenliebe nicht mit Vergnuegen anhoeren
sollte.  Sie koennen es seit zwei Jahren schon wissen, ob ich ein
redliches Herz habe.  Welche Zufriedenheit ist es fuer mich, dass ich
ohne den geringsten Vorwurf in alle die vergnuegten Tage und Stunden
zuruecksehen kann, die ich mit Ihnen, mit der Liebe und der Tugend
zugebracht habe!

Siegmund.  Also sind Sie vollkommen mit mir zufrieden, meine Schoene?
O warum kann ich Sie nicht gluecklich machen!  Welche Wollust muesste es
sein, ein Herz, wie das Ihrige ist, zu belohnen, da mir die blosse
Vorstellung davon schon so viel Vergnuegen gibt!  Ach, liebstes Kind,
Julchen wird gluecklicher, weit gluecklicher als Sie, und...

Lottchen.  Sie beleidigen mich, wenn Sie mehr reden.  Und Sie
beleidigen mich auch schon, wenn Sie es denken.  Julchen ist nicht
gluecklicher, als ich bin.  Sie habe ihrem kuenftigen Braeutigam noch
soviel zu danken: so bin ich Ihnen doch ebensoviel schuldig.  Durch
Ihren Umgang, durch Ihr Beispiel bin ich zaertlich, ruhig und mit der
ganzen Welt zufrieden worden.  Ist dieses kein Glueck: so muss gar keins
in der Welt sein.  Aber, mein liebster Freund, wir wollen heute zu
Julchens Gluecke etwas beitragen.  Sie liebt den Herrn Damis und weiss
es nicht, dass sie ihn liebt.  Ihr ganzes Bezeigen versichert mich, dass
der praechtige Gedanke, den sie von der Freiheit mit sich herumtraegt,
nichts als eine Frucht der Liebe sei.  Sie liebt; aber die
verdruessliche Gestalt, die sie sich vielleicht von der Ehe gemacht hat,
umnebelt ihre Liebe.  Wir wollen diese kleinen Nebel vertreiben.

Siegmund.  Und wie?  mein liebes Kind.  Ich gehorche Ihnen ohne
Ausnahme.  Herr Damis verdient Julchen, und sie wird eine recht
liebenswuerdige Frau werden.

Lottchen.  Hoeren Sie nur.  Doch hier koemmt Herr Damis.



Vierter Auftritt

Die Vorigen.  Damis.


Lottchen.  Sie sehen sehr traurig aus, mein Herr Damis.

Damis.  Ich habe Ursache dazu.  Anstatt, dass ich glaubte, Julchen
heute als meine Braut zu sehen: so merke ich, dass noch ganze Jahre zu
diesem Gluecke noetig sind.  Je mehr ich ihr von der Liebe vorsage,
desto unempfindlicher wird sie.  Und je mehr sie sieht, dass meine
Absichten ernstlich sind, desto mehr missfallen sie ihr.  Ich
Ungluecklicher!  Wie gut waere es fuer mich, wenn ich Julchen weniger
liebte!

Lottchen.  Lassen Sie sich ihre kleine Halsstarrigkeit lieb sein.  Es
ist nichts als Liebe.  Eben weil sie fuehlt, dass ihr Herz ueberwunden
ist: so wendet sie noch die letzte Bemuehung an, der Liebe den Sieg
sauer zu machen.  Wir brauchen nichts, als sie dahin zu bringen, dass
sie sieht, was in ihrem Herzen vorgeht.

Damis.  Wenn sie es aber nicht sehen will?

Lottchen.  Wir muessen sie ueberraschen und sie, ohne dass sie es
vermutet, dazu noetigen.  Der heutige Tag ist ja nicht notwendig Ihr
Brauttag.  Glueckt es uns heute nicht: so wird es ein andermal gluecken.
 Es koemmt bloss darauf an, meine Herren, ob Sie sich meinen Vorschlag
wollen gefallen lassen.

Siegmund.  Wenn ich zu des Herrn Damis Gluecke etwas beitragen kann,
mit Freuden.

Damis.  Ich weiss, dass Sie beide grossmuetig genug darzu sind.  Und mir
wird nichts in der Welt zu schwer sein, das ich nicht fuer Julchen
wagen sollte.

Lottchen.  Mein Herr Damis, veraendern Sie die Sprache bei Julchen
etwas.  Fangen Sie nach und nach an, ihr in den Gedanken von der
Freiheit recht zu geben.  Diese Uebereinstimmung wird ihr anfangs
gefallen und sie sicher machen.  Sie wird denken, als ob sie Ihnen
deswegen erst gewogen wuerde, da sie es doch lange aus weit schoenern
Ursachen gewesen ist.  Und in diesem Selbstbetruge wird sie Ihnen ihr
ganzes Herz sehen lassen.

Damis.  Wollte der Himmel, dass Ihr Rat seine Wirkung taete.  Wie
gluecklich wollte ich mich schaetzen!

Lottchen (zu Siegmunden).  Und Sie muessen dem Herrn Damis zum Besten
einen kleinen Betrug spielen und sich gegen Julchen zaertlich stellen.
Dieses wird ihr Herz in Unordnung bringen.  Sie wird boese auf Sie
werden.  Und mitten in dem Zorne wird die Liebe gegen den Herrn Damis
hervorbrechen.  Tun Sie es auf meine Verantwortung.

Siegmund.  Diese Rolle wird mir sehr sauer werden.


Fuenfter Auftritt

Die Vorigen.  Julchen.


Julchen.  Da sind Sie ja alle beisammen.  Der Papa wollte gern wissen,
wo Sie waeren, und ich kann ihm nunmehro die Antwort sagen.  (Sie will
wieder gehn.)

Lottchen.  Mein liebes Julchen, warum gehst du so geschwind?  Weisst du
eine bessere Gesellschaft als die unsrige?

Julchen.  Ach nein, meine Schwester.  Aber wo Ihr und Herr Siegmund
seid, da wird gewiss von der Liebe gesprochen.  Und ich finde heute
keinen Beruf, einer solchen Versammlung beizuwohnen.

Lottchen.  Warum rechnest du denn nur mich und Herr Siegmunden zu den
Verliebten?  Was hat dir denn Herr Damis getan, dass du ihm diese Ehre
nicht auch erweisest?

Julchen.  Herr Damis ist so guetig gewesen und hat mir versprochen,
lange nicht wieder von der Liebe zu reden.  Und er ist viel zu billig,
als dass er mir sein Wort nicht halten sollte.

Damis.  Ich habe es Ihnen versprochen, meine liebe Mamsell, und ich
verspreche es Ihnen vor dieser Gesellschaft zum andern Male.  Erlauben
Sie mir, dass ich meine Zaertlichkeit in Hochachtung verwandeln darf.
Die Liebe koennen Sie mir mit Recht verbieten; aber die Hochachtung
koemmt nicht auf meinen Willen, sondern auf Ihre Verdienste an.  Scheun
Sie sich nicht mehr vor mir.  Ich bin gar nicht mehr Ihr Liebhaber.
Aber darf ich denn auch nicht Ihr guter Freund sein?

Julchen.  Von Herzen gern.  Dieses ist eben mein Wunsch, viele Freunde
und keinen Liebhaber zu haben; mich an einem vertrauten Umgange zu
vergnuegen, aber mich nicht durch die Vertraulichkeit zu binden und zu
fesseln.  Wenn Sie mir nichts mehr von der Liebe sagen wollen: so will
ich ganze Tage mit Ihnen umgehen.

Lottchen.  Kommen Sie, Herr Siegmund.  Bei diesen frostigen Leuten
sind wir nichts nuetze.  Ob wir ihr kaltsinniges Gespraech von der
Freundschaft hoeren oder nicht.  Wir wollen zu dem Papa gehen.



Sechster Auftritt

Julchen.  Damis.


Julchen.  Ich bin meiner Schwester recht herzlich gut; aber ich wuerde
es noch mehr sein, wenn sie weniger auf die Liebe hielte.  Es kann
sein, dass die Liebe viel Annehmlichkeiten hat; aber das traurige und
eingeschraenkte Wesen, das man dabei annimmt, verderbt ihren Wert, und
wenn er noch so gross waere.  Ich habe ein lebendiges Beispiel an meiner
Schwester.  Sie war sonst viel munterer, viel ungezwungener.

Damis.  Ich habe Ihnen versprochen, nicht von der Liebe zu reden, und
ich halte mein Wort.  Die Freundschaft scheint mir in der Tat besser.

Julchen.  Ja.  Die Freundschaft ist das frohe Vergnuegen der Menschen
und die Liebe das traurige.  Man will einander recht geniessen, darum
liebt man; und man eilt doch nur, einander satt zu werden.  Habe ich
nicht recht, Herr Damis?

Damis.  Ich werde die Liebe in Ihrer Gesellschaft gar nicht mehr
erwaehnen.  Sie moechten mir sonst dabei einfallen.  Und wie wuerde es
alsdann um mein Versprechen stehen?

Julchen.  Sie koennten es vielleicht fuer einen Eigensinn, oder ich weiss
selbst nicht fuer was fuer ein Anzeichen halten, dass ich die Liebe so
fliehe.  Aber nein.  Ich sage es Ihnen, es gehoert zu meiner Ruhe, ohne
Liebe zu sein.  Lassen Sie mir doch diese Freiheit.  Muss man denn
diese traurige Plage fuehlen?  Nein, meine Schwester irrt: es geht an,
sie nicht zu empfinden.  Ich sehe es an mir.  Aber warum schweigen Sie
so stille?  Ich rede ja fast ganz allein.  Sie sind verdriesslich?  O
wie gut ist's, dass Sie nicht mehr mein Liebhaber sind!  Sonst haette
ich Ursache, Ihnen zu Gefallen auch verdriesslich zu werden.

Damis.  O nein, ich bin gar nicht verdriesslich.

Julchen.  Und wenn Sie es auch waeren, und zwar deswegen, weil ich
nicht mehr von der Liebe reden will: so wuerde mir doch dieses gar
nicht nahegehen.  Es ist mir nicht lieb, dass ich Sie so verdriesslich
sehe; aber als Ihre gute Freundin werde ich darueber gar nicht unruhig.
 O nein!  Ich bin ja auch nicht jede Stunde zufrieden.  Sie koennen ja
etwas zu ueberlegen haben.  Ich argwohne gar nichts.  Ich mag es auch
nicht wissen...  Doch, mein Herr, Sie stellen einen sehr stummen
Freund vor.  Wenn bin ich Ihnen denn so gleichgueltig geworden?

Damis.  Nehmen Sie es nicht uebel, meine schoene Freundin, dass ich
einige Augenblicke ganz fuehllos geschienen habe.  Ich habe, um Ihren
Befehl zu erfuellen, die letzten Bemuehungen angewandt, die aengstlichen
Regungen der Liebe voellig zu ersticken und den Charakter eines
aufrichtigen Freundes anzunehmen.  Die Vernunft hat nunmehr ueber mein
Herz gesiegt.  Die Liebe war mir sonst angenehm, weil ich sie Ihrem
Werte zu danken hatte.  Nunmehr scheint mir auch die Unempfindlichkeit
schoen und reizend zu sein, weil sie durch die Ihrige in mir erwecket
worden ist.  Verlassen Sie sich darauf, ich will mir alle Gewalt antun;
 aber vergeben Sie mir nur, wenn ich zuweilen wider meinen Willen in
den vorigen Charakter verfalle.  Ich liebe Sie nicht mehr; aber, ach,
sollten Sie doch wissen, wie hoch ich Sie schaetze, meine englische
Freundin!

Julchen.  Aber warum schlagen Sie denn die Augen nieder?  Darf man in
der Freundschaft einander auch nicht ansehen?

Damis.  Es gehoert zu meinem Siege.  Wer kann Sie sehen und Sie doch
nicht lieben?

Julchen.  Sagten Sie mir nicht wieder, dass Sie mich liebten?  O das
ist traurig!  Ich werde ueber Ihr Bezeigen recht unruhig.  Einmal reden
Sie so verliebt, dass man erschrickt, und das andere Mal so
gleichgueltig, als wenn Sie mich zum ersten Male saehen.  Nein,
schweifen Sie doch nicht aus.  Sie widersprechen mir ja stets.  Ist
dies die Eigenschaft eines guten Freundes?  Wir brauchen ja nicht zu
lieben.  Ist denn die Freiheit nicht so edel als die Liebe?

Damis.  O es gehoert weit mehr Staerke des Geistes zu der Freiheit als
zu der Liebe.

Julchen.  Das sage ich auch, warum halten Sie mir's denn fuer uebel, dass
ich die Freiheit hochschaetze, dass ich statt eines Liebhabers lieber
zehn Freunde, statt eines einfachen lieber ein mannigfaltiges
Vergnuegen haben will?  Sind denn meine Gruende so schlecht, dass ich
darueber Ihre Hochachtung verlieren sollte?  Tun Sie den Ausspruch, ob
ich bloss aus Eigensinn rede.  (Damis sieht sie zaertlich an.)  Aber
warum sehen Sie mich so aengstlich an, als ob Sie mich bedauerten?  Was
wollen mir Ihre Augen durch diese Sprache sagen?  Ich kann mich gar
nicht mehr in Ihr Bezeigen finden.  Sie scheinen mir das Amt eines
Aufsehers und nicht eines Freundes ueber sich genommen zu haben.  Warum
geben Sie auf meine kleinste Miene Achtung und nicht auf meine Worte?
Mein Herr, ich wollte, dass Sie nunmehr...

Damis.  Dass Sie gingen, wollten Sie sagen.  Auch diesen Befehl nehme
ich an, so sauer er mir auch wird.  Sie moegen mich nun noch so sehr
hassen: so werde ich mich doch in Ihrer Gegenwart nie ueber mein
Schicksal beklagen.  Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen.

Julchen.  Hassen?  Wenn habe ich denn gesagt, dass ich Sie hasse?  Ich
verstehe diese Sprache.  Weil Sie mich nicht lieben sollen, so wollen
Sie mich hassen.  Dies ist sehr grossmuetig.  Das sind die Fruechte der
beruehmten Zaertlichkeit.  Ich werde aber nicht aus meiner Gelassenheit
kommen, und wenn Sie auch mit dem kaltsinnigsten Stolze noch einmal zu
mir sagen sollten: Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu empfehlen.  Das
ist ja eine rechte Hofsprache.

Damis.  Es ist die Sprache der Ehrerbietung.  (Er geht ab.)



Siebenter Auftritt

Julchen allein.


Wie?  Er geht?  Aber warum bin ich so unruhig?  Ich liebe ihn ja nicht.
..  Nein, ich bin ihm nur gewogen.  Es ist doch ein unertraeglicher
Stolz, dass er mich verlaesst.  Aber habe ich ihn etwan beleidiget?  Er
ist ja sonst so vernuenftig und so grossmuetig...  Nein, nein, er liebt
mich nicht.  Es muss Verstellung gewesen sein.  Ich habe heute ein
recht muerrisches Wesen.  (Lottchen tritt unvermerkt herein.)  Wenn ich
nur meine Laute hier haette, ich wollte...



Achter Auftritt

Julchen.  Lottchen.


Lottchen.  Ich will sie gleich holen, wenn du es haben willst.  Aber,
mein Kind, was hast du mit dir allein zu reden?  Es ist ja sonst deine
Art nicht, dass du mit der Einsamkeit sprichst?

Julchen.  Wenn haette ich denn mit mir allein geredet?  Ich weiss nicht,
dass ich heute allen so verdaechtig vorkomme.

Lottchen.  Aber woher wuesste ich's, dass du die Laute haettest haben
wollen, wenn du nicht geredt haettest?  Mich hast du nicht gesehen,
liebes Kind, und also musst du wohl mit dir selbst geredt haben.  Ich
daechte es wenigstens, oder bist du anderer Meinung?

Julchen.  Ihr muesst euch alle beredt haben, mir zu widersprechen.

Lottchen.  Wieso?  Ich habe dir nicht widersprochen.  Und wenn es Herr
Damis getan hat, so kann ich nichts dafuer.  Warum ziehst du deine
guten Freunde nicht besser?  Er sagte mir im Vorbeigehen, du waerest
recht boese geworden, weil er es etliche Mal versehen und wider sein
Versprechen an die Liebe gedacht haette.

Julchen.  Schwester, ich glaube, Ihr kommt, um Rechenschaft von mir zu
fordern.  Ihr hoert es ja, dass ich mich nicht zur Liebe zwingen lasse.

Lottchen.  Recht, Julchen, wenn dir Herr Damis zuwider ist: so bitte
ich dich selber, liebe ihn nicht.

Julchen.  Was das fuer ein weiser Spruch ist!  Wenn er dir zuwider ist..
.  Muss man denn einander hassen, wenn man nicht lieben will?  Ich habe
ja noch nicht gefragt, ob dir dein Herr Siegmund zuwider ist.

Lottchen.  Nein, du hast mich noch nicht gefragt.  Aber wenn du mich
fragen solltest, so wuerde ich dir antworten, dass ich ihn recht
zaertlich, recht von Herzen liebe und mich meiner Zaertlichkeit nicht
einen Augenblick schaeme.  Es gehoert weit mehr Hoheit des Gemuets dazu,
die Liebe vernuenftig zu fuehlen, als die Freiheit zu behaupten.

Julchen.  Ich moechte vor Verdruss vergehen.  Herr Damis hat gleich
vorhin das Gegenteil behauptet.  Wem soll man nun glauben?  Nehmt
mir's nicht uebel, meine Schwester, ich weiss, dass Ihr mehr Einsicht
habt als ich; aber erlaubt mir, dass ich meinen Einfall dem Eurigen
vorziehe.  Und warum kann Herr Damis nicht so gut recht haben als Ihr?
 Ihr habt ja immer gesagt, dass er ein vernuenftiger und artiger Mann
waere.

Lottchen.  Das Beiwort artig haette nicht eben notwendig zu unserer
Streitfrage gehoert; aber vielleicht gehoert diese Vorstellung sonst in
die Reihe deiner Empfindungen.  Herr Damis ist ganz gewiss verstaendiger
als ich; aber er ist auch ein Mensch wie ich; und der beste Verstand
hat seine schwache Seite.

Julchen.  Lottchen, also seid Ihr hiehergekommen, um mir zu
demonstrieren, dass Herr Damis ein Mensch und kein Engel am Verstande
ist?  Das glaube ich.  Aber, mein liebes Lottchen, Eure Spoettereien
sind mir sehr ertraeglich.  Ich koennte Euch leicht die Antwort
zurueckgeben, dass Euer Herr Siegmund auch unter die armen Sterblichen
gehoerte; aber ich will es nicht tun.  Ihr wuerdet nur denken, dass ich
aus Eigensinn den Herrn Damis verteidigen wollte.  Nein, er soll nicht
den groessten Verstand haben; er soll nicht so galant, nicht so
liebenswuerdig sein als Euer Siegmund.  So habe ich noch eine Ursache
mehr, meine Freiheit zu behaupten und ihn nicht zu lieben.

Lottchen.  Mein liebes Kind, du koemmst recht in die Hitze.  Du
schmaelst auf mich und meinen Geliebten, und ich bleibe dir doch gut.
Man kann dich nicht hassen.  Du traegst dein gutes Herz in den Augen
und auf der Zunge, ohne dass du daran denkst.  Du bist meine liebe
schoene Schwester.  Deine kleinen Fehler sind fast ebenso gut als
Schoenheiten.  Wenigstens kann man sie nicht begehen, wenn man nicht so
aufrichtig ist, wie du bist.  Kind, ich habe diese Nacht einen
merkwuerdigen Traum von einer jungen angenehmen Braut gehabt und ich...

Julchen.  Ich bitte dich, liebe Schwester, lass mich allein.  Ich bin
verdriesslich, recht sehr verdriesslich, und ich werde es nur mehr, je
mehr ich rede.

Lottchen.  Bist du etwan darueber verdriesslich, dass ich in der
Heftigkeit ein Wort wider den Herrn Damis...?

Julchen.  O warum denkst du wieder an ihn?  Willst du mich noch mehr
zu Fehlern bringen?  Lass ihm doch seinen schwachen Verstand und mir
meinen verdriesslichen Geist und das Glueck, einige Augenblicke allein
zu sein.  Die aeltern Schwestern haben doch immer etwas an den juengern
auszusetzen.

Lottchen.  Ich hoere es wohl, ich soll gehen.  Gut.  Komm bald nach,
sonst musst du wieder mit dir allein reden.


Neunter Auftritt

Julchen.  Der Magister.


Julchen.  Ist es nicht moeglich, dass ich allein sein kann?  Muessen Sie
mich notwendig stoeren?  Herr Magister!  Sagen Sie mir's nur kurz, was
zu Ihren Diensten ist.

Der Magister.  Jungfer Muhme, ich will etwas mit Ihnen ueberlegen.
Vielleicht bin ich wegen meiner Jahre und meiner Erfahrung nicht
ungeschickt dazu.  Ich liebe Sie, und Sie wissen, was der Verstand fuer
eine unentbehrliche Sache bei allen unsern Handlungen ist.

Julchen.  Ja, das weiss ich.  Demungeachtet wollte ich wuenschen, dass
ich heute gar keinen haette; vielleicht waere ich ruhiger.

Der Magister.  Sie uebereilen sich.  Wer wuerde uns das Wahre von dem
Falschen, das Scheingut von dem wahren Gute unterscheiden helfen?  Wer
wuerde unsern Willen zu festen und gluecklichen Entschliessungen bringen,
wenn es nicht der Verstand taete?  Und wuerden Sie wohl so liebenswuerdig
geworden sein, wenn Sie nicht immer verstaendig gewesen waeren?

Julchen.  Herr Magister, Sie sind ja nicht auf Ihrer Studierstube.
Was quaelen Sie mich mit Ihrer Gelehrsamkeit?  Ich mag ja nicht so
weise sein als Sie.  Ich kann es auch nicht sein, weil ich nicht so
viel Geschicklichkeit besitze.

Der Magister.  Zu eben der Zeit, da Sie wuenschen, dass sie keine
Vernunft haben moechten, beweisen Sie durch Ihre Bescheidenheit, dass
Sie ihrer sehr viel haben.  Ich fordere keine Gelehrsamkeit von Ihnen.
 Ich will sogar die meinige vergessen, indem ich mit Ihnen spreche.
Sie sollen heute den Schritt zu Ihrem Gluecke tun.  Es scheint aber
nicht, dass Sie dazu entschlossen sind.  Gleichwohl wuenscht es Ihr Herr
Vater herzlich.  Ich habe ihm versprochen, Ihnen einige kleine
Vorstellungen zu tun.  Und ich wuenschte, dass Sie solche anhoeren und
mir Einwuerfe dagegen machen moechten.  Dies kann ich, so alt ich bin,
doch wohl leiden.  Die Liebe ist eine der schoensten, aber auch der
gefaehrlichsten Leidenschaften.  Sie raecht sich an uns, wenn wir sie
verschmaehen; und sie raecht sich auch, wenn wir uns in unserm Gehorsame
uebereilen.

Julchen.  Sie sind etwas weitlaeuftig in Ihren Vorstellungen.  Allein,
Sie sollen ohne Einwurf recht haben.  Lassen Sie mich nur in Ruhe.
Mein Verstand ist freilich nicht so stark an Gruenden als eine
Philosophie.  Dennoch ist er noch immer stark genug fuer mein Herz
gewesen.

Der Magister.  Wissen Sie nicht, dass uns unsere Leidenschaften am
ersten besiegen, wenn sie am ruhigsten zu sein scheinen?  Das Herz der
Menschen ist der groesste Betrueger.  Und der Kluegste weiss oft selbst
nicht, was in ihm vorgeht.  Wir lieben und werden es zuweilen nicht
eher gewahr, als bis wir nicht mehr geliebt werden.  Dieses alles
sollen Sie nicht glauben, weil ich's sage.  Nein, weil es die groessten
Kenner des menschlichen Herzens, ein Sokrates, ein Plato, ein Seneca
und viele von den neuern Philosophen gesagt haben.

Julchen.  Ich kenne alle diese Maenner nicht und verlange sie auch
nicht zu kennen.  Aber wenn sie so weise gewesen sind, wie Sie
behaupten, so werden sie wohl auch gesagt haben, dass man ein unruhiges
Herz durch viele Vorstellungen nicht noch unruhiger machen soll.  Und
ich traue dem Plato und Seneca, und wie sie alle heissen, so viel
Einsicht und Hoeflichkeit zu, dass sie Sie bitten wuerden, mich zu
verlassen, wenn sie zugegen waeren.  Sobald ich die Leidenschaften und
insonderheit die Liebe nicht mehr regieren kann: so will ich Ihre
Philosophie um Beistand ansprechen.

Der Magister.  Ihre Aufrichtigkeit gefaellt mir, ob sie mir gleich zu
widersprechen scheint.  Aber ich wuerde mich fuer sehr unphilosophisch
halten, wenn ich den Widerspruch nicht gelassen anhoeren koennte.  Sie
sollen mich nicht beleidiget haben.  Nein!  Aber Sie sagen, Sie sind
unruhig.  Sollte es itzt nicht Zeit sein, diese Unruhe durch
Ueberlegung zu daempfen?  Was verursacht Ihre Unruhe?  Ist's der Affekt
der Liebe oder des Abscheus?  Der Furcht oder des Verlangens?  Ich
wollte wuenschen, dass Sie ein anschauendes Erkenntnis davon haetten.
Wenn man die Ursache eines moralischen Uebels weiss: so weiss man auch
das moralische Gegenmittel.  Ich meine es gut mit Ihnen.  Ich rede
begreiflich, und ich wollte, dass ich noch deutlicher reden koennte.

Julchen.  Ich setze nicht das geringste Misstrauen weder in Ihre
Aufrichtigkeit noch in Ihre Gelehrsamkeit.  Aber ich bin verdriesslich.
 Ich weiss nicht, was mir fehlt, und mag es auch zu meiner Ruhe nicht
wissen.  Verlassen Sie mich.  Sie sind mir viel zu scharfsinnig.

Der Magister.  Warum loben Sie mich?  Wenn Sie so viele Jahre der
Wahrheit nachgedacht haetten als ich: so wuerden Sie vielleicht ebenso
helle denken.  Unterdruecken Sie Ihre Unruhe und ueberlegen Sie das
Glueck, das sich Ihnen heute auf Ihr ganzes Leben anbietet.  Herr Damis
verlangt Ihr Herz und scheint es auch zu verdienen.  Was sagt Ihr
Verstand dazu?  Auf die Wahl in der Liebe koemmt das ganze Glueck der
Ehe an; und kein Irrtum bestraft uns so sehr als der, den wir in der
Liebe begehn.  Allein wenn kann man sich leichter irren als bei dieser
Gelegenheit?

Julchen.  Ich glaube, dass dieser Unterricht recht gut ist.  Aber was
wird er mir nuetzen, da ich nicht lieben will?

Der Magister.  Sie reden sehr hitzig.  Dennoch werde ich nicht aus
meiner Gelassenheit kommen.  Sie wollen nicht lieben, nicht heiraten?
Aber wissen Sie denn auch, dass Sie dazu verbunden sind?  Soll ich
Ihnen den Beweis aus meinem Rechte der Natur vorlegen?  Sie wollen
doch, dass das menschliche Geschlecht erhalten werden soll?  Dieses ist
ein Zweck, den uns die Natur lehrt.  Das Mittel dazu ist die Liebe.
Wer den Zweck will, der muss auch das Mittel wollen, wenn er anders
verstaendig ist.  Sehn Sie denn nicht, dass Sie zur Ehe verbunden sind?
Sagen Sie mir nur, ob Sie die Kraft dieser Gruende nicht fuehlen?

Julchen.  Ich fuehle sie in der Tat nicht.  Und wenn die Liebe nichts
ist als eine Pflicht: so wundert mich's, wie sie so viele Herzen an
sich ziehen kann.  Ich will ungelehrt lieben.  Ich will warten, bis
mich die Liebe durch ihren Reiz bezaubern wird.

Der Magister.  Jungfer Muhme, das heisst halsstarrig sein, wenn man die
Augen vor den klaersten Beweisen zuschliesst.  Wenn Sie erkennen, dass
Sie zur Ehe verbunden sind, wie koennte denn Ihr Wille undeterminiert
bleiben?  Ist denn der Beifall im Verstande und der Entschluss im
Willen nicht eine und ebendieselbe Handlung unserer Seele?  Warum
wollen Sie sich denn nicht zur Heirat mit dem Herrn Damis entschliessen,
 da Sie sehen, dass Sie eine Pflicht dazu haben?

Julchen.  Nehmen Sie mir's nicht uebel, Herr Magister, dass ich Sie
verlasse, ohne von Ihrer Sittenlehre ueberzeugt zu sein.  Was kann ich
armes Maedchen dafuer, dass ich nicht so viel Einsicht habe als Plato,
Seneca und Ihre andern weisen Maenner?  Machen Sie es mit diesen Leuten
aus, warum ich keine Lust zur Heirat habe, da ich doch durch ihren
Beweis dazu verbunden bin.  Ich habe noch etliche Anstalten in der
Kueche zu machen.



Zehnter Auftritt

Der Magister.  Cleon.


Der Magister.  Ich habe deiner Tochter Julchen alle moegliche
Vorstellungen getan.  Ich habe mit der groessten Selbstverleugnung mit
ihr gesprochen.  Ich habe ihr die staerksten Beweise angefuehrt; aber...

Cleon.  O haettest du ihr lieber ein paar Exempel von gluecklich
verheirateten Maedchen angefuehrt.

Der Magister.  Sie widersprach mir mehr als einmal; aber ich kam nicht
aus meiner Gelassenheit.  Ich erwies ihr, dass sie verbunden waere zu
heiraten.

Cleon.  Du hast dir viel Muehe geben.  Ich denke, wenn ein Maedchen
achtzehn Jahre alt ist: so wird sie nicht viel wider diesen Beweis
einwenden koennen.

Der Magister.  Julchen sah alles ein.  Ich machte es ihr sehr deutlich.
  Denn wenn man mit Ungelehrten zu tun hat, die nicht abstrakt denken
koennen: so muss man sich herunterlassen und das Ingenium zuweilen zu
Huelfe nehmen.

Cleon.  Aber wie weit hast du Julchen durch deine Gruende gebracht?
Will sie den Herrn Damis heiraten?  Hat sie denn ihre Herzensmeinung
nicht verraten?  Ich kann ja den rechtschaffenen Mann nicht laenger
aufhalten.  Er meint es so redlich und hat so viele Verdienste.

Der Magister.  Sie sagte, sie waere unruhig.  Und das war eben schlimm.
 Denn die Gruende der Philosophie fordern ein ruhiges Herz, wenn sie
die Ueberzeugung wirken sollen.  Wenn der Verstand durch die Triebe des
Willens bestuermt wird: so ist er nicht aufmerksam.  Und ohne
Aufmerksamkeit sind die schaerfsten Beweise nichts als stumpfe Pfeile.

Cleon.  Rede nicht so tiefsinnig.  Du haettest sie eben sollen ruhig
machen: so saehe ich den Nutzen von deiner Geschicklichkeit.

Der Magister.  Ich versuchte alles.  Ich zeigte ihr die schoene Seite
der Liebe.  Ich sagte ihr erstlich, dass eine glueckliche Ehe das groesste
Vergnuegen waere.

Cleon.  Ja, die gluecklichen Ehen sind etwas sehr Schoenes.  Aber du
haettest ihr sagen sollen, dass ihre Ehe wahrscheinlicherweise sehr
gluecklich werden wuerde.  Das ist meine Absicht gewesen, warum ich dich
zu ihr geschickt habe.

Der Magister.  Kurz und gut, durch Lehrsaetze und Erweise ist sie nicht
zu gewinnen, das sehe ich wohl.  Sie versteht wohl die einzelnen Saetze;
 aber wenn sie sie in Gedanken zusammen verbinden und dem Schlusse das
Leben geben soll: so weichet ihr Verstand zurueck, und sie wird
ungehalten, dass er sie verlaesst.

Cleon.  Also kannst du mir weiter nicht helfen und sie nicht ueberreden?

Der Magister.  Es gibt noch gewisse witzige Beweise zur Ueberredung,
die man Beweise kat' anJrwpon nennen koennte.  Dergleichen sind bei den
alten Rednern die Fabeln und Allegorien oder Parabeln.  Bei Leuten,
die nicht scharf denken koennen, tun diese witzigen Blendwerke oft gute
Dienste.  Ich will sehen, ob ich durch mein Ingenium das ausrichten
kann, was sie meinem Verstande versagt hat.  Vielleicht macht ihr eine
Fabel mehr Lust zur Heirat als eine Demonstration.  Ich will eine
machen und sie ihr vorlesen und tun, als ob ich sie in dem Fabelbuche
eines jungen Menschen in Leipzig gefunden haette, der sich durch seine
Fabeln und Erzaehlungen bei der Schuljugend so beliebt gemacht hat.

Cleon.  Ach ja, das tue doch, damit wir alles versuchen.  Wenn die
Fabel huebsch ist: so kannst du sie gleich auf meiner Tochter Hochzeit
der Welt mitteilen.  Mache nur nicht gar zu lange darueber.  Eine Fabel
ist ja keine Predigt.  Es muss ja nicht alles so akkurat sein.  Meine
Tochter wird dich nicht verraten.  Mache, dass sie ja spricht: so will
ich dir ohne Fabel, aber recht aufrichtig danken.

(Der Magister geht ab.)



Eilfter Auftritt

Cleon.  Lottchen.


Lottchen.  Papa, der Herr Vormund des Herrn Damis hat durch seinen
Bedienten dieses Zettelchen an Sie geschickt.

Cleon (er liest).  "Weil Sie es verlangen: so werde ich die Ehre haben,
 gegen die Kaffeezeit zu Ihnen zu kommen.  Ich lasse mir die Wahl des
Herrn Damis, meines Muendels, sehr wohl gefallen.  Er haette nicht
gluecklicher waehlen koennen.  Kurz, ich will mich diesen Nachmittag mit
Ihnen und Ihren Jungfern Toechtern recht vergnuegen, weil ich ohnedies
heute eine angenehme Nachricht vom Hofe erhalten habe.  Zugleich muss
ich Ihnen melden, dass heute oder morgen das Testament Ihrer seligen
Frau Muhme, der Frau Stephan, geoeffnet werden soll.  Ich glaube gewiss,
dass sie Ihnen etwas vermacht hat.  Vielleicht kann ich Ihnen die
Gewissheit davon um vier Uhr mitbringen.  Ich bin" usw.

Das geht ja recht gut, meine liebe Tochter.  Ich dachte immer, der
Herr Vormund wuerde seine Einwilligung nicht zur Heirat geben, weil
meine Tochter kein Vermoegen hat.

Lottchen.  Das habe ich gar nicht befuerchtet.  Der Herr Vormund ist ja
die Leutseligkeit und Menschenliebe selbst und macht sich gewiss eine
Freude daraus, zu dem Gluecke eines Frauenzimmers etwas beizutragen,
der man keinen groessern Vorwurf machen kann, als dass sie nicht reich
ist.

Cleon.  Tochter, du hast sehr recht.  Es ist ein lieber Mann.  Ich
habe nur gedacht, dass er einen gewissen Fehler haben muesste, weil er
schon nahe an vierzig ist und noch kein Amt hat.  Aber was hilft uns
das alles, wenn Julchen den Herrn Damis nicht haben will?

Lottchen.  Machen Sie sich keine Sorge, lieber Papa.  Julchen ist so
gut als besiegt.  Und ich denke, es koennte ihr kein groesser Unglueck
widerfahren, als wenn man ihr ihren Schatz, die sogenannte Freiheit,
ungeraubt liesse.  Ich habe die sichersten Merkmale, dass sie den Herrn
Damis liebt.

Cleon.  Sollte es moeglich sein?  Ich duerfte es bald selbst glauben.
Ihr losen Maedchen tut immer, als wenn euch nichts an den Maennern laege,
und heimlich habt ihr doch eine herzliche Freude an ihnen.  Je nun,
die Liebe ist auch noetig in der Welt, sonst haette sie uns der Himmel
nicht gegeben.

Lottchen.  Papa, diese Satire auf die losen Maedchen trifft mich nicht.
 Ich daechte, ich machte kein Geheimnis aus meiner Liebe.  Wenigstens
halte ich die vernuenftige Liebe fuer kein groesser Verbrechen als die
vernuenftige Freundschaft.  Unser Leben ist vielleicht deswegen mit so
vielen Beschwerlichkeiten belegt, dass wir es uns desto mehr durch die
Liebe sollen leicht und angenehm zu machen suchen.

Cleon.  Mein Kind, wenn mir die Frau Muhme Stephan etwas vermacht
haben sollte: so saehe ich's sehr gerne, wenn ich euch, meine Toechter,
auf einen Tag versprechen und euch in kurzem auf einen Tag die
Hochzeit ausrichten koennte.  Ich wollte gern das ganze Vermaechtnis
dazu hergeben.

Lottchen.  Sie sind ein liebreicher Vater.  Nein, wenn Sie auch durch
das Testament etwas bekommen sollten: so wuerde es doch ungerecht sein,
wenn wir Sie durch unsre Heiraten gleich um alles braechten.  Nein,
lieber Papa, ich kann noch lange warten.  Und mein Geliebter wird sich
ohnedies nicht zur Ehe entschliessen, bis er nicht eine hinlaengliche
Versorgung hat.

Cleon.  Tue dein moeglichstes, dass Julchen heute noch ja spricht.  Die
Maedchen muessen wohl ein wenig sproede tun; aber sie muessen es den
Junggesellen auch nicht so gar sauer machen.

Lottchen.  Papa, unsere selige Mama sagte nicht so.

Cleon.  Loses Kind, ein Vater darf ja wohl ein Wort reden.  Ich bin ja
auch jung gewesen, und meine Jugend reut mich gar nicht.  Ich und
deine selige Mutter haben uns ein Jahr vor der Ehe und sechzehn Jahre
in der Ehe wie die Kinder vertragen.  Sie hat mir tausend vergnuegte
Stunden gemacht, und ich will's ihr noch in der Ewigkeit danken.  Sie
hat auch euch, meine Kinder, ohne Ruhm zu melden, recht gut gezogen.
Ich weine vielmal, wenn ich des Abends nach der Betstunde von euch
gehe und eure Andacht, insonderheit die deinige, sehe.  Es wird dir
gewiss wohlgehen.  Verlasse dich darauf.  Du tust mir viel Gutes.  Du
fuehrst meine ganze Haushaltung.  Sei zufrieden mit deinem Schicksale.
Ich lasse dir nach meinem Tode einen ehrlichen Namen und eine gute
Auferziehung.  Lass mich ja zu meiner seligen Frau ins Grab legen.  Ich
will schlafen, wo sie schlaeft.

Lottchen.  Ach, Papa, warum machen Sie mich weichmuetig?  Sie werden,
wenn es nach meinem Wunsche geht, noch lange leben und erfahren, dass
ich meinen Ruhm in der Pflicht, Ihnen zu dienen, suche.  Und wenn ich
Sie hundert Jahre versorge: so habe ich nichts mehr getan, als was mir
meine Schuldigkeit befiehlt.  Heute muessen Sie vergnuegt sein.  Doch
vielleicht ist die traurige Empfindung, die in Ihnen entstanden ist,
die angenehmste, die nur ein rechtschaffener Vater fuehlen kann.  Aber,
lieber Papa, es ist kein Wein mehr im Keller als das gute Fass, das Sie
in meinem Geburtsjahre eingelegt haben.  Was werden wir heute unsern
Gaesten fuer Wein vorsetzen?

Cleon.  Tochter, zapfe das Fass an.  Und wenn es Nektar waere: so ist er
fuer den heutigen Tag nicht zu gut.  Es wird bald Mittagszeit sein.
Ich will immer gehen und die Forellen aus dem Fischhaelter langen.
Wenn ich Julchen sehe: so will ich dir sie wohl wieder herschicken,
wenn du noch einmal mit ihr reden willst.

Lottchen.  Recht gut, Papa, ich will noch einige Augenblicke hier
warten.



Zwoelfter Auftritt

Lottchen.  Siegmund.


Siegmund.  Ich habe schon einen Augenblick mit Julchen gesprochen.
Sie ist ungehalten auf den Herrn Damis, aber ihre ganze Anklage
scheint mir nichts als eine Liebeserklaerung in einer fremden Sprache
zu sein.  Ich haette nicht gedacht, dass sie so zaertlich waere.  Die
Liebe und Freundschaft reden zugleich aus ihren Augen und aus ihrem
Munde, je mehr sie nach ihrer Meinung die erste verbergen will.

Lottchen.  Ei, ei, mein lieber Herr Siegmund!  Ich koennte bald einige
Minuten eifersuechtig werden.  Nicht wahr, meine Schwester ist
reizender als ich?  Aber dennoch lieben Sie mich.

Siegmund.  Wer kann Sie einmal lieben und nicht bestaendig lieben?
Ihre Jungfer Schwester hat viele Verdienste; aber Sie haben ihrer weit
mehr.  Sie kennen mein Herz.  Dieses muss Ihnen fuer meine Treue der
sicherste Buerge sein.

Lottchen.  Ja, ich kenne es und bin stolz darauf.  Ach, mein liebster
Freund, ich muss Ihnen sagen, dass uns vielleicht ein kleines Glueck
bevorsteht.  Wollte doch der Himmel, dass es zu Ihrer Beruhigung etwas
beitragen koennte!  Der Herr Vormund des Herrn Damis hat dem Papa in
einem Billette gemeldet, dass heute das Testament der Frau Muhme
Stephan geoeffnet werden wuerde und dass er glaubte, sie wuerde den Papa
darinne bedacht haben.  O wenn es doch die Vorsicht wollte, dass ich so
gluecklich wuerde, Ihre Umstaende zu verbessern!

Siegmund.  Machen Sie mich nicht unruhig.  Sie lieben mich mehr, als
ich verdiene.  Gedulden Sie sich, es wird noch alles gut werden und...

Lottchen.  Sie sind unruhig?  Was fehlt Ihnen?  Sagen Sie mir's.  Mein
Leben ist mir nicht lieber als Ihre Ruhe.

Siegmund.  Ach, mein schoenes Kind, es fehlt mir nichts, nichts als das
Glueck, Sie ewig zu besitzen.  Ich bin etwas zerstreut.  Ich habe diese
Nacht nicht wohl geschlafen.

Lottchen.  O kommen Sie und werden Sie mir zuliebe munter.  Wir wollen
erst zu Julchen auf ihre Stube und dann gleich zur Mahlzeit gehn.

(Ende des ersten Aufzugs.)




Zweiter Aufzug



Erster Auftritt

Cleon.  Julchen.


Cleon.  Du wirst doch wissen, ob du ihm gut bist?

Julchen.  Lieber Papa, woher soll ich's denn wissen?  Ich will Ihnen
gerne gehorchen; aber lassen Sie mir nur meine Freiheit.

Cleon.  "Ich will Ihnen gerne gehorchen; aber lassen Sie mir nur meine
Freiheit." Kleiner Affe, was redst du denn?  Wenn ich dir deine
Freiheit lassen soll: so brauchst du mir ja nicht zu gehorchen.  Ich
will dich gar nicht zwingen.  Ich bin dir viel zu gut.  Nein, sage mir
nur, ob er dir gefaellt.

Julchen.  Ob mir Herr Damis gefaellt?  Vielleicht, Papa.  Ich weiss es
nicht gewiss.

Cleon.  Tochter, schaeme dich nicht, mit deinem Vater aufrichtig zu
reden.  Du bist ja erwachsen, und die Liebe ist ja nichts Verbotenes.
Gefaellt dir seine Person, seine Bildung?

Julchen.  Sie missfaellt mir nicht.  Vielleicht...  gefaellt sie mir gar.

Cleon.  Maedchen, was willst du mit deinem "Vielleicht"?  Wir reden ja
nicht von verborgenen Sachen: du darfst ja nur dein Herz fragen.

Julchen.  Aber wenn nun mein Herz so untreu ist und mir nicht
aufrichtig antwortet?

Cleon.  Rede nicht so poetisch.  Dein Herz bist du, und du wirst doch
wissen, was in dir vorgeht.  Wenn du einen jungen, wohlgebildeten,
geschickten, vernuenftigen und reichen Menschen siehst, der dich zur
Frau haben will: so wirst du doch leicht von dir erfahren koennen, ob
du ihn zum Manne haben moechtest.

Julchen.  Zum Manne?...  Ach, Papa!  lassen Sie mir Zeit.  Ich bin
heute unruhig, und in der Unruhe koennte ich mich uebereilen.  Ich
glaube in der Tat nicht, dass ich ihn liebe, sonst wuerde ich munter und
zufrieden sein.  Wer weiss auch, ob ich ihm gefalle?

Cleon.  Wenn du darueber unruhig bist: so hat es gute Wege.  Bist du
nicht ein albernes Kind!  Wenn du ihm nicht gefielst: so wuerde er sich
nicht so viel Muehe um dich geben.  Er kennt dich vielleicht besser,
als du dich selbst kennst.  Stelle dir einmal vor, ob ich deine selige
Mutter, da sie noch Jungfer war, zur Ehe begehret haben wuerde, wenn
sie mir nicht gefallen haette.  Indem er zu dir sagt: "Jungfer Julchen",
 oder wie er dich nennt...  Du kannst mir's ja sagen, wie er dich
heisst.

Julchen.  Er heisst mich Mamsell.

Cleon.  Kind, du betruegst mich.  Er spraeche schlechtweg "Mamsell"?
Das kann nicht sein.

Julchen.  Zuweilen spricht er auch "liebe Mamsell".

Cleon.  Tochter, du verstellst dich.  Ich bin ja dein Vater.  Im
Ernste, wie heisst er dich, wenn er's recht gut meint?

Julchen.  Ich kann mich selbst nicht besinnen.  Er spricht...  er
spricht...  "mein Julchen"...

Cleon.  Warum sprichst du das Wort so klaeglich aus?  Seufzest du ueber
deinen Namen?  Dein Name ist schoen.  Also spricht er zu dir: "Mein
Julchen"?  Gut, hat er dich nie anders geheissen?

Julchen.  Ach ja, lieber Papa.  Er heisst mich auch zuweilen: "Mein
schoenes Julchen." Warum fragen Sie mich denn so aus?

Cleon.  Lass mir doch meine Freude, du kleiner Narr.  Ein
rechtschaffener Vater hat seine Toechter lieb, wenn sie wohlgezogen
sind.  Ich bin ja stets freundlich mit euch umgegangen.  Aber dass ich
wieder auf das Hauptwerk komme.  Ja, indem Herr Damis z.  E.  zu dir
spricht: "Mein schoenes Julchen, ich habe dich..."

Julchen.  Oh!  Er heisst mich Sie.  Er wuerde nicht du sprechen.  Das
waere sehr vertraut, oder doch wenigstens unhoeflich.

Cleon.  Nun, nun, wenn er dich auch einmal du hiesse, deswegen verloerst
du nichts von deiner Ehre.  Hat mich doch meine selige Frau als Braut
mehr als einmal du geheissen, und es klang mir immer schoen.  Indem er
also zu dir spricht: "Mein schoenes Julchen, ich bin Ihnen gut": so
sagt er auch zugleich, "Sie gefallen mir"; denn sonst wuerde er das
erste nicht sagen.

Julchen.  Das sagt er niemals zu mir.

Cleon.  Du machst mich boese.  Ich habe es ja mehr als einmal selber
gehoert.

Julchen.  Dass er zu mir gesagt haette: "Ich bin Ihnen gut"?

Cleon.  Jawohl!

Julchen.  Mit Ihrer Erlaubnis, Papa, das hat Herr Damis in seinem
Leben nicht zu mir gesagt.  "Ich liebe Sie von Herzen", das spricht er
wohl; aber niemals, "ich bin Ihnen gut".

Cleon.  Bist du nicht ein zaenkisches Maedchen!  Wir streiten ja nicht
um die Worte.

Julchen.  Aber das klinget doch allemal besser: "Ich liebe Sie von
Herzen", als das andere.

Cleon.  Das mag sein.  Ich habe das letzte immer zu meiner lieben Frau
gesagt, und es gefiel ihr ganz wohl.  Dass die Welt die Sprache immer
aendert, dafuer kann ich nicht.  Ihr Maedchen gebt heutzutage auf ein
Wort Achtung wie ein Rechenmeister auf eine Ziffer.  Es gefaellt dir
also, wenn er so zu dir spricht?  Gut, meine Tochter, so nimm ihn doch.
  Was wegerst du dich denn?  Ich gehe nach der Grube zu.  Worauf
willst du denn warten?  Kind, ich sage dir's, es duerfte sich keine
Graefin deines Braeutigams schaemen.  Herr Damis moechte heute gerne die
voellige Gewissheit haben, ob er...

Julchen.  Papa!

Cleon.  Nun, was willst du?  Nur nicht so verzagt.  Ich bin ja dein
Vater.  Ich gehe ja mit dir wie mit einer Schwester um.

Julchen.  Papa, darf ich etwas bitten?

Cleon.  Herzlich gern.  Du bist mir so lieb als Lottchen, wenn jene
gleich etwas gelehrter ist.  Bitte, was willst du?

Julchen.  Ich?  Ich bin sehr unentschlossen, sehr verdriesslich.

Cleon.  Das ist ja keine Bitte.  Rede offenherzig.

Julchen.  Ich wollte bitten, dass Sie...  mir meine Freiheit liessen.

Cleon.  Mit deiner ewigen Freiheit!  Ich dachte, du wolltest schon um
das Brautkleid bitten.  Ich lasse dir ja deine Freiheit.  Du sollst ja
aus freiem Willen lieben, gar nicht gezwungen.  Bedenke dich noch eine
Stunde.  Ueberlege es hier allein.  Ich will dich nicht laenger stoeren.
Ich will fuer dich beten.  Das will ich tun.



Zweiter Auftritt

Julchen.  Damis.


Damis.  Darf ich mit Ihnen reden, mein schoenes Kind?

Julchen.  Es ist gut, dass Sie kommen.  Die Gesundheit, die Sie mir
ueber Tische von der Liebe zubrachten, hat mich recht gekraenkt.  Meine
Schwester lachte darueber; aber das kann ich nicht.  Sie hat heute
ueberhaupt eine widerwaertige Gemuetsart, die sich sogar bis auf Sie,
mein Herr, erstreckt.

Damis.  Bis auf mich?  Darf ich weiterfragen?

Julchen.  Ich sagte ihr, dass Sie meiner Meinung waeren und behauptet
haetten, dass mehr Hoheit der Seele zur Freiheit als zur Liebe gehoerte.
Darueber spottete sie und sagte dreist, Sie haetten unrecht, wo sie
nicht gar noch mehr sagte.  Aber lassen Sie sich nichts gegen sie
merken; sie moechte sonst denken, ich wollte eine Feindschaft anrichten.

Damis.  Lottchen wird es nicht so boese gemeint haben.  Sie ist ja die
Gutheit und Unschuld selbst.

Julchen.  Das konnte ich mir einbilden, dass Sie mir widersprechen
wuerden.  Und ich will es Ihnen nur gestehen, dass ich's zu dem Ende
gesagt habe.  Freilich hat meine Schwester mehr Gutheit als ich.  Sie
redt von der Liebe, und so guetig bin ich nicht.

Damis.  Vergeben Sie es ihr, wenn sie auch etwas von mir gesagt hat.
Ich bin ja nicht ohne Fehler.  Und vielleicht wuerde ich Ihnen mehr
gefallen, wenn ich ihrer weniger haette.

Julchen.  Wozu soll diese Erniedrigung?  Wollen Sie mich mit dem Worte
Fehler demuetigen?

Damis.  Ach, liebstes Kind, werden Sie es denn niemals glauben, wie
gut ich mit Ihnen meine?

Julchen.  Daran zweifele ich gar nicht.  Sie sind ja meiner Schwester
gewogen; und also wird es Ihnen nicht sauer ankommen, mir Ihre
Gewogenheit in ebendem Grade zu schenken.

Damis.  Ja, ich versichere Sie, dass ich Lottchen allen Schoenen
vorziehen wuerde, wenn ich Julchen nicht kennte.

Julchen.  Ich sehe, die Gefahr, mich hochmuetig zu machen, ist zu wenig,
 Sie von einer Schmeichelei abzuschrecken.

Damis.  Meine liebe Freundin, ich verliere meine Wohlfahrt, wenn
dieses eine Schmeichelei war.  Warum halten Sie mich nicht fuer
aufrichtig?

Julchen (zerstreut).  Ich...  ich habe die beste Meinung von Ihnen.

Damis.  Warum sprechen Sie diesen Lobspruch mit einem so traurigen
Tone aus?  Kostet er Sie so viel?  In Wahrheit, ich bin recht
ungluecklich.  Je laenger ich die Ehre habe, Sie zu sehen und zu
sprechen, desto unzufriedner werden Sie.  Sagen Sie mir nur, was Sie
beunruhiget.  Ich will Ihnen ja Ihre Freiheit nicht rauben.  Nein, ich
will nicht den geringsten Anspruch auf Ihr Herz machen.  Ich will Sie
ohne alle Belohnung, ohne alle Hoffnung lieben.  Wollen Sie mir denn
auch dieses Vergnuegen nicht goennen?

Julchen.  Sie sind wirklich grossmuetiger, als ich geglaubt habe.  Wenn
Sie mich lieben wollen, ohne mich zu fesseln: so wird mir Ihr Beifall
sehr angenehm sein.  Aber dies ist auch alles, was ich Ihnen sagen
kann.  Werfen Sie mir mein verdriessliches Wesen nicht mehr vor.  Ich
will gleich so billig sein und Sie verlassen.

Damis.  Aber was fehlt Ihnen denn, mein Engel?

Julchen (unruhig).  Ich weiss es in Wahrheit nicht.  Es ist mir alles
so aengstlich, und es scheint recht, als ob ich das Aengstliche heute
suchte und liebte.  Ich bitte Sie recht sehr, lassen Sie deswegen
nichts von Ihrer Hochachtung gegen mich fallen.  Es ist unhoeflich von
mir, dass ich Sie nicht munterer unterhalte, da Sie unser Gast sind.
Aber der Himmel weiss, ich kann nichts dafuer.  Ich will mir eine Tasse
Kaffee machen lassen.  Vielleicht kann ich mein verdriessliches Wesen
zerstreuen.  Aber gehn Sie nicht gleich mit mir.  Lottchen moechte mir
sonst einige kleine Spoettereien sagen.  Wollen Sie so guetig sein?



Dritter Auftritt

Damis.  Lottchen.


Lottchen.  Nun, Herr Damis, wie weit sind Sie in Ihrer Liebe?  Sie
weinen?  Ist das moeglich?

Damis.  O goennen Sie mir dieses Glueck.  Es sind Traenen der Wollust,
die meine ganze Seele vergnuegen.  Wenn Sie nur das liebenswuerdige Kind
haetten sollen reden hoeren!  Wenn Sie nur die Gewalt haetten sehen
sollen, die sie ihrem Herzen antat, um es nicht sehn zu lassen!  Sie
sagte endlich aufrichtig, sie waere unruhig.  Ach Himmel!  mit welcher
Annehmlichkeit, mit welcher Unschuld sagte sie dies!  Sie liebt mich
wohl, ohne es recht zu wissen.  Bedenken Sie nur, mein liebes Lottchen,
 o bedenken Sie nur, wie...

Lottchen.  Warum reden Sie nicht weiter?

Damis.  Lassen Sie mich doch mein Glueck erst recht ueberdenken.  Sie
nannte ihre Unruhe ein verdriessliches Wesen.  Sie bat mich, dass ich
deswegen nichts von der Hochachtung gegen sie sollte fahrenlassen.
Und das Wort Hochachtung drueckte sie mit einem Tone aus, der ihm die
Bedeutung der Liebe gab.  Sie sagte endlich in aller Unschuld, sie
wollte sich eine Tasse Kaffee machen lassen, um den Nebel in ihrem
Gemuete dadurch zu zerstreuen.

Lottchen.  Das gute Maedchen!  Wenn der Kaffee eine Arznei fuer die
Unruhen des Herzens waere: so wuerden wir wenig Gemuetskrankheiten haben.
 Nunmehr wird sie bald empfinden, was Liebe und Freiheit ist.  Das
Traurige, das sich in ihrem Bezeigen meldet, scheint mir ein Beweis zu
sein, dass sie ihre Freiheit nicht mehr zu beschuetzen weiss.  Verwandeln
Sie sich nunmehr nach und nach wieder in den Liebhaber, damit Julchen
nicht gar zu sehr bestraft wird.

Damis.  Diese Verwandlung wird mir sehr natuerlich sein.  Aber ich
fuerchte, wenn Julchen in Gegenwart so vieler Zeugen mir ihre Liebe
wird bekraeftigen sollen: so wird ihr Herz wieder scheu werden.  Sie
bat mich, da sie mich verliess, dass ich ihr nicht gleich nachfolgen
sollte, damit ihr Lottchen nicht einige Spoettereien sagen moechte.  Wie
furchtsam klingt dieses!

Lottchen.  Ja, es heisst aber vielleicht nichts anders, wenn man es in
seine Sprache uebersetzt, als: Gehen Sie nicht mit mir, damit Lottchen
nicht so deutlich sieht, dass ich Sie liebe.  Ihre Braut scheut sich
nicht vor der Liebe, sondern nur vor dem Namen derselben.  Wenn sie
weniger natuerliche Schamhaftigkeit haette, so wuerde ihre Liebe sich in
einem groessern Lichte sehen lassen; aber vielleicht wuerde sie nicht so
reizend erscheinen.  Vielleicht geht es mit der Zaertlichkeit eines
Frauenzimmers wie mit ihren aeusserlichen Reizungen, wenn sie gefallen
sollen.

Damis.  Was meinen Sie, meine liebe Jungfer Schwester, soll ich...
Aber wie?  Ich nenne Sie schon Jungfer Schwester, und ich scheue mich
doch zugleich, Sie deswegen um Vergebung zu bitten?

Lottchen.  Ich will den Fehler gleich wieder gutmachen, mein lieber
Herr Bruder.  Ich habe Ihnen nun nichts vorzuwerfen.  Aber was wollten
Sie sagen?

Damis.  Fragen Sie mich nicht.  Ich habe es wieder vergessen.  Ich
kann gar nicht mehr zu meinen eignen Gedanken kommen.  Sie verbergen
sich in die entlegenste Gegend von meiner Seele.  Julchen denkt und
sinnt und redt in mir.  Und seitdem ich sie traurig gesehen habe, habe
ich grosse Lust, es auch zu sein.  Was fuer ein Geheimnis hat nicht ein
Herz mit dem andern!  Ich sehe, dass ich gluecklich bin, und sollte
vergnuegt sein.  Ich sehe, dass mich Julchen liebt, und indem ich dieses
sehe, werde ich traurig, weil sie es ist.  Welche neue Entdeckung in
meinem Herzen!

Lottchen.  Ich weiss Ihnen keinen bessern Rat zu geben als den, folgen
Sie Ihrer Neigung und vertreiben Sie sich die Traurigkeit nicht, sonst
werden Sie zerstreut werden.  Sie wird ihres Platzes von sich selber
muede werden und ihn bald dem Vergnuegen von neuem einraeumen.

Damis.  Ich werde recht furchtsam.  Und ich glaube, wenn ich Julchen
wiedersehe, dass ich gar stumm werde.

Lottchen.  Das kann leicht kommen.  Vielleicht geht es Julchen auch
also.  Ich moechte Sie beide itzt beisammen sehen, ohne von Ihnen
bemerkt zu werden.  Sie wuerden beide tiefsinnig tun.  Sie wuerden reden
wollen und statt dessen seufzen.  Sie wuerden die verraeterischen
Seufzer durch gleichgueltige Mienen entkraeften wollen und ihnen nur
mehr Bedeutung geben.  Sie wuerden einander wechselsweise bitten, sich
zu verlassen, und einander Gelegenheit geben, zu bleiben.  Und
vielleicht wuerde Ihre beiderseitige Wehmut zuletzt in etliche mehr als
freundschaftliche Kuesse ausbrechen.  Aber ich hoere meine Schwester
kommen.  Ich will Sie nicht stoeren.  (Sie geht und bleibt in der Szene
versteckt stehen.)



Vierter Auftritt

Julchen.  Damis.


Julchen.  War nicht meine Schwester bei Ihnen?  Wo ist sie?

Damis (in tiefen Gedanken).  Sie ging und sagte, sie wollte uns nicht
stoeren.

Julchen.  Nicht stoeren?  Was soll das bedeuten?

Damis.  Vergeben Sie mir.  Ich habe mich uebereilet.  Ach, Juliane!

Julchen.  Sie haben sich uebereilet, und woher?  Aber...  Ja...  Ich
will Sie verlassen.  Sie sind tiefsinnig.

Damis.  Sie wollen mich verlassen?  meine Juliane!  Mich...?

Julchen.  Meine Juliane!  so haben Sie mich ja sonst nicht geheissen?
Sie vergessen sich.  Ich will Sie verlassen.

Damis.  O gehn Sie noch nicht.  Ich habe Ihnen recht viel zu sagen.
Ach viel!

Julchen.  Und was denn?  Sie halten mich wider meinen Willen zurueck.
Ist Ihnen etwas begegnet?  Was wollen Sie sagen?  Reden Sie doch.

Damis (bange).  Meine Juliane!

Julchen (mit beweglicher Stimme).  Juliane!  den Namen hoere ich zum
dritten Male.  Sie schweigen wieder?  Ich muss nur gehn.  (Sie geht.
Er sieht ihr traurig nach, und sie sieht sich um.)  Wahrhaftig, es muss
Ihnen etwas Grosses begegnet sein.  Darf ich's nicht wissen?

Damis (er koemmt auf sie zu).  Wenn Sie mir's vergeben wollten: so
wollte ich Ihnen sagen; aber nein...  Ich wuerde Ihre Gewogenheit
darueber verlieren und...  (Er kuesst ihr die Hand und haelt sie dabei.)
Nein, ich habe Ihnen nichts zu sagen.  Ach, Sie sind verdriesslich,
meine Juliane?

Julchen (ganz betroffen).  Nein, ich bin nicht traurig.  Aber ich
erschrecke, dass ich Sie so bestuerzt sehe.  Ja...  Ich bin nicht
traurig.  Ich bin ganz gelassen, und ich wollte, dass Sie auch so waeren.
  Halten Sie mich nicht bei der Hand.  Ich will Sie verlassen.  Ich
wollte meine Schwester suchen und ihr sagen...

Damis.  Was wollten Sie ihr denn sagen?  mein schoenes Kind!

Julchen.  Ich wollte ihr sagen...  dass der Papa nach ihr gefragt haette
und...

Damis.  Der Papa?  mein Engel!

Julchen.  Nein, ich irre mich.  Herr Siegmund hat nach ihr gefragt und
meine Schwester sprechen wollen und mich gebeten...  (Sie sieht ihn an.
)  In Wahrheit, Sie sehen so traurig aus, dass man sich des Mitleidens..
.  (Sie wendet das Gesichte beiseite.)

Damis.  Meine Juliane!  Ihr Mitleiden...  Sie bringen mich zur
aeussersten Wehmut.

Julchen.  Und Sie machen mich auch traurig.  Warum hielten Sie mich
zurueck?  Warum weinen Sie denn?  (Sie will ihre Traenen verbergen.)
Was fehlt Ihnen?  Verlassen Sie mich, wenn ich bitten darf.

Damis.  Ja.

Julchen (fuer sich).  Er geht?

Damis (indem er wieder zurueckkehrt).  Aber darf ich nicht wissen,
meine Schoene, was Ihnen begegnet ist?  Sie waren ja Vormittage nicht
so traurig.

Julchen.  Ich weiss es nicht.  Sie wollten ja gehn.  Ist Ihnen meine
Unruhe beschwerlich?  Sagen Sie mir nur, warum Sie...  Sie reden ja
nicht.

Damis.  Ich?

Julchen.  Ja.

Damis.  O wie verschoenert die Wehmut Ihre Wangen!  Ach, Juliane!

Julchen.  Was seufzen Sie?  Sie vergessen sich.  Wenn doch Lottchen
wiederkaeme!  Bedenken Sie, wenn sie Sie so betruebt saehe und mich...
Was wuerde sie sagen?  (Lottchen tritt aus der Szene hervor.)



Fuenfter Auftritt

Die Vorigen.  Lottchen.


Lottchen.  Ich wuerde sagen, dass man einander durch bekuemmerte Fragen
und Traenen die staerkste Liebeserklaerung machen kann, ohne das Wort
Liebe zu nennen.  Mehr wuerde ich nicht sagen.

Julchen.  O wie spoettisch!  Ich muss nur gehn.

Lottchen.  O ich habe es wohl eher gesehn, dass du hast gehn wollen,
und doch...

Julchen.  Das wuesste ich in der Tat nicht.  (Sie geht ab.)


Sechster Auftritt

Damis.  Lottchen.


Lottchen.  Es dauert mich in der Tat, dass ich Sie beide gestoeret habe.
 Ich haette es nicht tun sollen: Aber ich konnte mich vor Freuden nicht
laenger halten.  Kann wohl ein schoenerer Anblick sein, als wenn man
zwei Zaertliche sieht, die es vor Liebe nicht wagen wollen, einander
die Liebe zu gestehen?  Mein lieber Herr Damis, habe ich den Plan
Ihres zaertlichen Schicksals nicht gut entworfen gehabt?  Haette ich
mich noch einige Augenblicke halten koennen: so wuerde Ihre
beiderseitige Wehmut gewiss noch bis zu etlichen vertraulichen
Liebkosungen gestiegen sein.

Damis.  Daran zweifele ich sehr.  Ich war in Wahrheit recht traurig,
und ich bin's noch.

Lottchen.  Ja, ich sehe es.  Und es wird Ihnen sehr sauer werden, mit
mir allein zu reden.  Holen Sie unmassgeblich Ihre betruebte Freundin
wieder zurueck.  Ich will Sie miteinander aufrichten.

Damis.  Ja, das will ich tun.



Siebenter Auftritt

Lottchen.  Simon.


Simon.  Ich bitte Sie um Vergebung, Mamsell, dass ich unangemeldet
hereintrete.  Das Vergnuegen macht mich unhoeflich.  Sind Sie nicht die
liebenswuerdige Braut meines Herrn Muendels?

Lottchen.  Und wenn ich nun seine Braut waere, was...

Simon.  So habe ich die Ehre, Ihnen zu sagen, dass Ihnen Ihre selige
Frau Muhme in ihrem Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht hat.  Sie
werden die Gewissheit davon noch heute vom Rathause erhalten.  Das
Testament ist geoeffnet, und Ihr Herr Pate, der Herr Hofrat, der bei
der Eroeffnung zugegen gewesen, hat mir aufgetragen, Ihrem Herrn Vater
diese angenehme Zeitung zum voraus zu hinterbringen, ehe er noch die
gerichtliche Insinuation erhaelt.

Lottchen.  Ist das moeglich?  Die Frau Muhme hat ihr Versprechen
zehnfach erfuellt.  Wie gluecklich ist meine Schwester!  Sie verdient es
in der Tat.  Das ist eine sonderbare Schickung.  Mein Herr, Sie setzen
mich in das empfindlichste Vergnuegen.  Ich bin nicht die Braut Ihres
Herrn Muendels.  Aber die Nachricht wuerde mich kaum so sehr erfreuen,
wenn sie mich selbst anginge.

Simon.  Kurz, Mamsell, ich weiss nicht, welche von Ihnen meinen Muendel
gluecklich machen will.  Allein genug, die juengste Tochter des Herrn
Cleon ist die Erbin des ganzen Ritterguts und also eines Vermoegens von
mehr als funfzigtausend Talern.

Lottchen.  Das ist meine Schwester.  Wie erfreue ich mich!

Simon.  Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht ebendiese Nachricht
bringen kann.  Ich wollte es mit tausend Freuden tun.  Wo ist Ihr
lieber Herr Vater?  Wird er nicht eine Freude haben!

Lottchen.  Ich habe gleich die Ehre, Sie zu ihm zu fuehren.  Aber ich
will Sie erst um etwas bitten.  Goennen Sie mir doch das Vergnuegen, dass
ich meiner Schwester und Ihrem Herrn Muendel die erste Nachricht von
dieser gluecklichen Erbschaft bringen darf.  Es ist meine groesste
Wollust, die Regungen des Vergnuegens bei andern ausbrechen zu sehen.
Und wenn ich viel haette, ich glaube, ich verschenkte alles, nur um die
Welt froh zu sehen.  Lassen Sie mir immer das Glueck, meiner Schwester
das ihrige anzukuendigen.

Simon.  Von Herzen gern.  Eine so edle Liebe habe ich nicht leicht
unter zwo Schwestern gefunden.  Ich erstaune ganz.  Ich wusste wohl,
Mamsell, dass Sie die Braut meines Muendels nicht waren; allein, ich
wollte mir meinen Antrag durch eine verstellte Ungewissheit leichter
machen.  Ich glaubte, Sie wuerden erschrecken und ueber die Vorteile
Ihrer Jungfer Schwester unruhig werden.  Aber ich sehe das Gegenteil
und fange an zu wuenschen, dass Sie selbst die Braut meines lieben
Muendels und die glueckliche Erbin der Frau Stephan sein moechten.

Lottchen.  Wenn man Ihren Beifall dadurch gewinnen kann, dass man frei
vom Neide und zur Menschenliebe geneigt ist: so hoffe ich mir Ihr
Wohlwollen zeitlebens zu erhalten.  Also wollen Sie Julchen und dem
Herrn Damis nichts von der Erbschaft sagen, sondern es mir ueberlassen?
 Sie sind sehr guetig.

Simon.  Ich will sogar dem Herrn Vater nichts davon sagen, wenn Sie es
ihm selber hinterbringen wollen.  Hier koemmt er.



Achter Auftritt

Die Vorigen.  Herr Cleon.  Herr Siegmund.


Cleon.  Mein wertester Herr, ich habe Sie mit dem Herrn Siegmund schon
im Garten gesucht.  Ich sahe Sie in das Haus hereintreten, und ich
glaubte, Sie wuerden den Kaffee im Garten trinken wollen.  Ich erfreue
mich ueber die Ehre Ihrer Gegenwart.  Ich erfreue mich recht von Herzen.

Simon.  Und ich erfreue mich, Sie wohl zu sehen und heute einen Zeugen
von Ihrem Vergnuegen abzugeben.

Lottchen.  Ach, lieber Papa!  Ach, lieber Herr Siegmund!  Soll ich's
sagen?  Herr Simon!

Simon.  Wenn Sie es erzaehlen, wird mir's so neu klingen, als ob ich's
selbst noch nicht wuesste.

Cleon.  Nun, was ist es denn?  meine Tochter!  Wem willst du es erst
sagen, mir oder meinem lieben Nachbar?  Welcher ist dir lieber, du
loses Kind?

Lottchen.  Wenn ich die Liebe der Ehrfurcht frage: so sind Sie's.  Und
wenn ich die Liebe der Freundschaft hoere: so ist es Ihr lieber Nachbar.
  Ich will's Ihnen beiden zugleich sagen, was mir Herr Simon itzt
erzaehlt hat.  Die selige Frau Muhme hat Julchen in ihrem Testamente
ihr ganzes Rittergut vermacht.  Das Testament ist geoeffnet, und mein
Herr Pate, der Herr Hofrat, laesst Ihnen durch den Herrn Simon diese
Nachricht bringen.

Cleon.  Dafuer sei Gott gedankt.  Das Gut ist doch Weiberlehn?  Ja!
Ich erschrecke ganz vor Freuden.  Das haette ich nimmermehr gedacht.  O
sie war dem Maedchen sehr gut!  Gott vergelte es ihr in der frohen
Ewigkeit.  Das ganze Rittergut?

Siegmund.  Das ist vortrefflich.  Die rechtschaffene Frau!

Simon (zu Cleon).  Ich habe mir in Ihrem Namen die Abschrift von dem
Testamente schon ausgebeten, und ich hoffe sie gegen Abend zu erhalten.
  Sie werden auch bald eine gerichtliche Verordnung bekommen.

Cleon.  Das ist ja ganz was Ausserordentliches.  Ich will's die Armen
gewiss geniessen lassen.  Aber du, meine liebe Tochter, du koemmst dabei
zu kurz.

Lottchen.  Ich?  Papa.  Nein.  Wenn ich das Glueck tragen koennte: so
wuerde mir der Himmel gewiss auch welches geben.  Ich habe schon Glueck
genug.  Nicht wahr?  Herr Siegmund!  Was meinen Sie?

Siegmund.  Dass Sie es ebenso wuerdig sind als Ihre Jungfer Schwester.

Cleon.  Herr Simon, Sie haben mir ja in Ihrem Billette gemeldet, dass
auch Sie eine erfreuliche Nachricht erhalten haetten.  Kommen Sie doch
mit mir in den Garten und vertrauen Sie mir's.  Diese beiden
feindseligen Gemueter werden sich schon hier allein vertragen oder uns
nachkommen.



Neunter Auftritt

Lottchen.  Siegmund.


Lottchen.  Wenn ich Ihre Groesse nicht kennte: so wuerde ich gezittert
haben, Ihnen die Nachricht von dem grossen Gluecke meiner Schwester zu
hinterbringen.  Aber ich weiss, Sie schaetzen mich deswegen nicht einen
Augenblick geringer.  Unser Schicksal steht in den Haenden der Vorsicht.
  Diese teilen allemal weise aus, und sie werden sich auch noch zu
unserm Vorteile oeffnen, wenngleich nicht in dem Augenblicke, da wir es
wuenschen.

Siegmund.  Mein liebes Lottchen, es wird mir sehr leicht, ueber Ihrem
Herzen das Glueck zu vergessen.  Wir wollen hoffen.  Vergeben Sie mir
nur, dass ich noch immer den Zerstreuten vorstelle.  Ich habe lange mit
Ihrem Papa gesprochen, und ich weiss in Wahrheit nicht was.

Lottchen.  Wenn Sie mich so lieben, wie ich Sie: so wundert mich's
nicht, dass Ihnen ein Tag, wie der heutige ist, wo solche Anstalten
gemacht werden, einige Wuensche und Unruhen abnoetiget.  Trauen Sie doch
der Vorsehung.  Es ist eben heute ein Jahr, da Sie durch den
ungluecklichen Prozess Ihres seligen Herrn Vaters Ihr Vermoegen verloren.
 Vielleicht beunruhiget Sie dieser Gedanke; aber vielleicht haben Sie
auch alles heute ueber ein Jahr wieder.  Haben Sie mit Julchen
gesprochen und dem Herrn Damis zum besten sich etwas zaertlich gestellt?

Siegmund.  Nein, weil ich so zerstreut bin, so...

Lottchen.  Gut.  Sie werden diese kleine Muehe fast ersparen koennen.
Ihr Herz scheint keinen grossen Antrieb mehr noetig zu haben.  Aber
sagen Sie ihr noch nichts von der Erbschaft.  Ich will sie holen und
es ihr in Ihrer Gegenwart entdecken und ihrem Geliebten zugleich.



Zehnter Auftritt

Siegmund allein.


Welche entsetzliche Nachricht!...  Julchen!...  Ein ganzes Rittergut!
Julchen...  die so viel Reizungen, so viel Schoenheit und Anmut besitzt!
...  Kennte ich Lottchens Wert nicht: so wuerde Julchen....  Aber ist
Julchen nicht auch tugendhaft...  grossmuetig...  klug...  unschuldig...
?  Ist sie nicht die Sittsamkeit selbst?  Ist Lottchen so schamhaft?
oder...  Himmel, wo bin ich?  Verdammte Liebe, wie quaelst du mich!
Muss man auch wider seinen Willen untreu werden?...  Warum konnte jene
nicht die reiche Erbschaft bekommen?  Sahe die Muhme auch, dass die
juengste mehr Verdienste hatte?...  Ich Elender!  Ich bin ohne meine
Schuld um das groesste Vermoegen gekommen...  Aber habe ich weniger
Vorzuege als Damis?  Julchen widersteht ja seiner Liebe...  Ist es ein
Verbrechen?...  Was kann ich dafuer, dass sie mich ruehrt?  Sind meine
Wuensche verdammlich, wenn sie mit Julchens Wuenschen vielleicht gar
uebereinstimmen?  O Himmel!  Sie koemmt allein.



Eilfter Auftritt

Siegmund.  Julchen.


Julchen.  Meine Schwester hat gesagt, ich soll sie hier in Ihrer
Gesellschaft erwarten.  Sie sucht den Herrn Damis und will alsdann
hieherkommen und uns etwas Angenehmes erzaehlen.

Siegmund.  Wird Ihnen unterdessen die Zeit in meiner Gesellschaft
nicht verdriesslich werden?

Julchen.  Mir?  Bei Ihnen?  Gewiss nicht.  Sie sind heute am
freundschaftlichsten mit mir umgegangen.  Und es wird Ihnen auch wohl
kein Geheimnis sein, dass ich ihnen gut bin, wenngleich nicht so wie
meine Schwester.

Siegmund (er kuesst ihr die Hand).  Sie sagen mir vieles Schoenes,
angenehme Braut.

Julchen.  Bin ich denn eine Braut?  Das hat mir noch kein Mensch
gesagt.  Nein, mein Herr, heissen Sie mich nicht so.  Es kann sein, dass
ich dem Herrn Damis gewogen bin; aber muss ich darum seine Braut sein?
Nein, er ist so guetig und sagt mir fast gar nichts mehr von der Liebe.

Siegmund.  Aber, wenn ich Ihnen etwas von der Liebe sagte, wuerden Sie
auch zuernen?  Sie wissen es wohl nicht, wie hoch ich Sie...  doch...

Julchen.  Bei Ihnen bin ich sehr sicher.  Solange ein Lottchen in der
Welt ist, werden Ihre Liebeserklaerungen nicht viel zu bedeuten haben.
Sie wollen mich vielleicht ausforschen; aber Sie werden nichts
erfahren.

Siegmund.  Meine Schoene, ich wollte wuenschen, dass ich aus Verstellung
redte; aber ach nein!  Denken Sie denn, dass man...

Julchen.  Und was?

Siegmund.  Dass man Sie sehn und doch unempfindlich bleiben kann?

Julchen.  Sie spielen die Rolle des Herrn Damis, wie ich sehe.

Siegmund.  So werde ich sehr ungluecklich sein, weil Sie mit seiner
Rolle nicht zufrieden sind.

Julchen.  Was verlieren denn Sie und meine Schwester, wenn ich seine
Wuensche nicht erfuelle?

Siegmund.  Vielleicht gewoenne ich.  Vielleicht wuerden Sie die
Absichten des aufrichtigsten Herzens sehn.  Ich verehre Sie; doch...
wie kann ich Ihnen das sagen, was ich empfinde!

Julchen.  Sie koennen eine fremde Person vortrefflich annehmen.  Aber
auch die Liebe im Scherze beunruhigt mich.  Ich weiss nicht, wo meine
Schwester bleibt.  Ich moechte doch wissen, was sie mir zu sagen haette;
sie kuesste mich vor Freuden.  Es muss etwas Wichtiges sein.  Ich muss sie
nur suchen..  Verziehn Sie einen Augenblick.



Zwoelfter Auftritt

Siegmund allein.


Ich Abscheu!  Was habe ich getan?  Ich werde der redlichsten Seele
untreu, die mich mit Entzueckung liebt?  Ich...?  Aber wie schoen, wie
reizend ist Julchen!  Sie liebt ihn noch nicht...  Und mir, mir ist
sie gewogen?  Aber die Vernunft...?  Sie soll schweigen...  Mein Herz
mag die Sache ausfuehren....  Misslingt mir meine Absicht: so bleibt mir
Lottchen noch gewiss.  ...  Hat sie mir nicht selbst befohlen, mich
verliebt in Julchen zu stellen?  Werde ich ihr darum untreu?  Wie?
Sie koemmt noch einmal?  Sucht sie mich mit Fleiss?



Dreizehnter Auftritt

Siegmund.  Julchen.  Der Magister.


Julchen (zu Siegmund).  Lottchen will mir nichts eher sagen, bis Herr
Damis wiederkoemmt.  Er ist eine halbe Stunde nach Hause gegangen, und
Sie sollen so guetig sein und zu dem Papa kommen.  Er wartet mit dem
Kaffee auf Sie.

Siegmund.  Nach Ihrem Befehle.  Aber darf ich hoffen?

Julchen.  Weil Sie in der Sprache der Liebhaber reden: so muss ich
Ihnen in der Sprache der Schoenen antworten: Sie muessen mit meinem Papa
davon sprechen.

Der Magister.  Ja, Herr Siegmund, mein Bruder wartet auf Sie, und ich
moechte gern ein Wort mit Jungfer Julchen allein sprechen.



Vierzehnter Auftritt

Julchen.  Der Magister.


Julchen.  Herr Magister, wollen Sie mir etwa sagen, was mir Lottchen
Neues erzaehlen will?

Der Magister.  Nein, ich habe sie gar nicht gesehn.  Ich komme aus
meiner Studierstube und habe zum Zeitvertreibe in einem deutschen
Fabelbuche gelesen.  Wenn Sie mir zuhoeren wollten: so wollte ich Ihnen
eine Fabel daraus vorlesen, die mir ganz artig geschienen hat.  Ich
weiss, Sie hoeren gerne witzige Sachen.

Julchen.  Ja, aber nur heute nicht, weil ich gar zu unruhig bin.  Sie
lesen mir ja sonst keine Fabeln vor.  Wie kommen Sie denn heute auf
diesen Einfall?  Ja, ich weiss wohl eher, dass Sie mir eine ziemliche
finstere Miene gemalt haben, wenn Sie mich in des Fontaine oder
Hagedorns Fabeln haben lesen sehen.

Der Magister.  Sie haben recht.  Ich halte mehr auf gruendliche
Schriften.  Und das Solide ist fuer die Welt allemal besser als das
Witzige.  Aber wie man den Verstand nicht immer anstrengen kann: so
ist es auch erlaubt, zuweilen etwas Seichtes zu lesen.  Wollen Sie die
Fabel hoeren?  Sie heisst Die Sonne.

Julchen.  O ich habe schon viele Fabeln von der Sonne gelesen!  Ich
will es Ihnen auf Ihr Wort glauben, dass sie artig ist.  Lesen Sie mir
sie nur nicht vor.

Der Magister.  Jungfer Muhme, ich weiss nicht, was Sie heute fuer eine
verdriessliche Gemuetsart haben.  Ihnen zu gefallen, verderbe ich mir
etliche kostbare Stunden.  Ich arbeite fuer Ihr Glueck, fuer Ihre
Beruhigung.  Und Sie sind so unerkenntlich und beleidigen mich alle
Augenblicke dafuer?  Bin ich Ihnen denn so geringe?  Verdienen meine
Absichten nicht wenigstens Ihre Aufmerksamkeit?  Sind denn Ihre
Pflichten gegen mich durch die Blutsverwandtschaft nicht deutlich
genug bestimmt?  Warum widersprechen Sie mir denn?  Kann ich etwas
dafuer, dass Sie nach der Vernunft verbunden sind, zu heiraten?  Habe
ich den Gehorsam, den Sie Ihrem Herrn Vater und mir schuldig sind,
etwa erdacht?  Ist er nicht in dem ewigen Gesetze der Vernunft
enthalten?

Julchen.  Sie schmaelen auf mich, Herr Magister; aber Sie schmaelen doch
gelehrt, und deswegen will ich mich zufriedengeben.  Darf ich bitten:
so lesen Sie mir die Fabel vor, damit ich wieder zu meiner Schwester
gehn kann.  Sie wissen nicht, wie hoch ich Sie schaetze.

Der Magister.  Warum sollte ich's nicht wissen?  Wenn Sie gleich nicht
den schaerfsten Verstand haben, so haben Sie doch ein gutes Herz.  Und
ich wollte wetten, wenn Sie statt der Bremischen Beitraege und anderer
solchen leichten Schriften eine systematische Moralphilosophie laesen,
dass Sie bald anders sollten denken lernen.  Wenn Sie die Triebe des
Willens und ihre Natur philosophisch kennen sollten: so wuerden Sie
sehen, dass der Trieb der Liebe ein Grundtrieb waere, und also...

Julchen.  Sie reden mir so viel von der Liebe vor.  Haben Sie denn in
Ihrer Jugend auch geliebt?  Kennen Sie denn die Liebe recht genau?
Was ist sie denn?  Ein Raetsel, das niemand aufloesen kann.

Der Magister.  Als der Verstand genug hat, in die Natur der Dinge zu
dringen.  Die Liebe ist eine Uebereinstimmung zweener Willen zu
gleichen Zwecken.  Mich deucht, dies ist sehr adaequat.  Oder soll ich
Ihnen eine andere Beschreibung geben?

Julchen.  Nein, ich habe mit dieser genug zu tun.  Sagen Sie mir
lieber die Fabel.  Ich muss zu meiner Schwester.

Der Magister.  Ja, ja, die Fabel ist freilich nicht so schwer zu
verstehen als eine Kausaldefinition.  Sie ist kurz, und sie scheint
mir mehr eine Allegorie als eine Fabel zu sein.  Sie klingt also: Die
Sonne verliebte sich, wie man erzaehlt, einsmals in den Mond.  Sie
entdeckte ihm ihre Wuensche auf das zaertlichste; allein der Mond blieb
seiner Natur nach kalt und unempfindlich.  Er verlachte alle die
Gruende, womit ihn einige benachbarte Planeten zur Zaertlichkeit gegen
die Sonne bewegen wollten.  Ein heimlicher Stolz hiess ihn sproede tun,
ob ihm die Liebe der Sonne gleich angenehm war.  Er trotzte auf sein
schoenes und reines Gesicht, bis es eine Gottheit auf das Bitten der
Sonne mit Flecken verunstaltete.  Und dies sind die Flecken, die wir
noch heutzutage in dem Gesichte des Monden finden.  Dies ist die Fabel.
  Was empfinden Sie dabei?

Julchen.  Ich empfinde, dass sie mir nicht gefaellt und dass der
Verfasser ihrer noch viel machen wird.  Ich will doch nicht hoffen,
dass Sie diese Erzaehlung im Ernste fuer artig halten.

Der Magister.  Freilich kann der Verstand bei witzigen Sachen seine
Staerke nicht sehen lassen.  Aber wie?  wenn ich die Fabel selbst
gemacht haette?

Julchen.  So wuerde ich glauben muessen, dass die Schuld an mir laege,
warum sie mir nicht schoen vorkoemmt.

Der Magister.  Sie wissen sich gut herauszuwickeln.  Ich will es Ihnen
gestehen.  Es ist meine Arbeit.  Ich will mich eben nicht gross damit
machen, denn Witz kann auch ein Ungelehrter haben.  Aber wollten Sie
diese Fabel wohl aufloesen?  Was soll die Moral sein?

Julchen.  Das werden Sie mir am besten sagen koennen.

Der Magister.  Die Moral soll etwan diese sein: Ein schoenes
Frauenzimmer, die gegen den Liebhaber gar zu lange sproede tut, steht
in der Gefahr, dass das Alter ihr schoenes Gesicht endlich verwuestet.

Julchen.  Sie sind heute recht sinnreich, Herr Magister.  Ich merke,
die Fabel geht auf mich.  Ich bin der Mond.  Herr Damis wird die Sonne
sein, und die Planeten werden auf Sie und meine Schwester zielen.
Habe ich nicht alles erraten?

Der Magister.  Ich sehe wohl, wenn man Ihnen seine Gedanken unter
Bildern vortraegt: so machen sie einen grossen Eindruck bei Ihnen.
Jungfer Muhme, denken Sie unmassgeblich an die Fabel und widerstehen
Sie der Liebe des Herrn Damis nicht laenger.  Was soll ich Ihrem Papa
fuer eine Antwort bringen?

Julchen.  Sagen Sie ihm nur, dass ich ueber Ihre Fabel haette lachen
muessen: so verdriesslich ich auch gewesen waere.  Ich habe die Ehre,
mich Ihnen zu empfehlen.


Funfzehnter Auftritt

Der Magister.  Cleon.  Siegmund.


Cleon.  Nun, mein lieber Magister, was spricht Julchen?  Ich denke,
sie wird sich wohl ohne deine Fabel zur Liebe entschlossen haben.

Der Magister.  Sie bleibt unbeweglich.  Ich weiss nicht, warum ich mir
des eigensinnigen Maedchens wegen so viel Muehe gebe.  Wer weder durch
philosophische noch durch sinnliche Beweise zu bewegen ist, den muss
man seinem Wahne zur Strafe ueberlassen.  Ich sage ihr kein Wort mehr.
So geht es, wenn man seinen Kindern nicht beizeiten ein gruendliches
Erkenntnis von der Moral beibringen laesst.  Ich habe mich zehnmal
erboten, deine Toechter denken zu lehren und ihnen die Grundursachen
der Dinge zu zeigen.  Aber nein, sie sollten witzig und nicht
vernuenftig werden.

Siegmund.  Mein Herr, dies war ein verwegner Ausspruch.  Ist Julchen
nicht vernuenftig genug?

Der Magister.  Warum denn nur Julchen?  Ich verstehe Sie.  Ich habe
ein andermal die Ehre, Ihnen zu antworten.  Itzt warten meine Zuhoerer
auf mich.



Sechzehnter Auftritt

Cleon.  Siegmund.


Cleon.  Ich weiss nicht, wem ich glauben soll, ob dem Magister oder
Lottchen?  Diese spricht, Julchen liebt den Herrn Damis, und jener
spricht: nein.  Er hat ja Verstand.  Sollte er denn die Sache nicht
einsehen?  Sagen Sie mir doch Ihre aufrichtige Meinung, Herr Siegmund.

Siegmund.  Ich komme fast selbst auf die Gedanken, dass Julchen den
Herrn Damis nicht wohl leiden kann.

Cleon.  Aber was soll denn daraus werden?  Wenn sie schon etwas von
der Erbschaft wuesste: so daechte ich, das Rittergut machte sie stolz.
Herr Damis ist so redlich gewesen und hat sie zur Frau verlangt, da
sie arm war.  Nun soll sie ihn, da sie reich ist, zur Dankbarkeit
heiraten.  Sie wird sich wohl noch geben.

Siegmund.  Aber Sie wissen wohl, dass der Zwang in der Ehe ueble Fruechte
bringt.

Cleon.  Es wird schon gehen.  Ich verlasse mich auf die Fuegung.  Und
ich wollte wohl wuenschen, Herr Siegmund, wenn Sie anders noch willens
sind, meine Tochter Lottchen zu ehelichen, dass ich heute ein doppeltes
Verloebnis ausrichten koennte.

Siegmund.  Ja, wenn nur meine Umstaende...  Ich habe einige hundert
Taler Schulden...

Cleon.  Gut.  Julchen soll Ihre Schulden von ihrer Erbschaft bezahlen
und Ihnen auch noch tausend Taler zum Anfange in der Ehe geben.

Siegmund.  Das ist sehr schoen; aber...

Cleon.  Sie kriegen an Lottchen gewiss eine verstaendige Frau.  Das
Maedchen hat fast gar keinen Fehler, und ihr Gesichte ist auch nicht
schlecht.  Ich darf's ihr nur nicht sagen, aber sie sieht eine Sache
manchmal besser ein als ich.  Wenn doch die Abschrift von dem
Testamente bald kaeme!  Also, wollen Sie Lottchen haben?

Siegmund.  Ja, ich wuensche mir Lottchen.  Ich gehorche Ihnen als
meinem Vater.  Aber darf ich Ihnen sagen, dass es scheint, dass mir
Julchen gewogener ist als dem Herrn Damis; und dass Lottchen hingegen
mit diesem sehr zufrieden zu sein scheinet.  Darf ich Ihnen wohl sagen,
 dass mir Julchen nur itzt noch befohlen hat, bei Ihnen um sie
anzuhalten und...

Cleon.  Was hoere ich?  Nun errate ich, warum das Maedchen sich so
geweigert hat.  Lieber Herr Siegmund, ich beschwoere Sie, sagen Sie mir,
 was bei der Sache anzufangen ist.  Ich vergehe, ich...  Ja doch.
Julchen kann Ihnen gewogen sein, aber Lottchen ist Ihnen noch
gewogener.

Siegmund.  Sie haben vollkommen recht, lieber Papa.

Cleon.  Also will Lottchen zwei Maenner und Herr Damis zwo Weiber
haben?  Das ist ja unsinnig.

Siegmund.  Es ist eine verwirrte Sache, bei der ich eine sehr
ungewisse Person spiele.  Das beste wird sein, dass Sie alles so
geheimhalten, als es moeglich ist, und die Verlobung mit dem Herrn
Damis etwan noch acht Tage anstehen lassen.  Vielleicht besinnt sich
Julchen anders.

Cleon.  Lieber Gott, zu wem wollte ich davon reden als zu Ihnen?  Ich
muesste mich ja schaemen.

Siegmund.  Wenn Lottchen den Herrn Damis freiwillig waehlen sollte: so
bin ich viel zu redlich, als dass ich ihr einen Mann mit so grossem
Vermoegen entziehen will.

Cleon.  Sie sind die Grossmut selbst.  Ich kann alles zufrieden sein.
Ich wollte Ihnen Julchens Vermoegen ebensowohl goennen als dem Herrn
Damis.  Freilich waere die Einteilung nicht uneben.  Lottchen waere
durch Herrn Damis' Vermoegen und Ihnen durch Julchens Erbschaft
geholfen.  Ich weiss nicht, was ich anfangen soll.

Siegmund.  Also wollten Sie mir, wenn es so weit kommen sollte,
Julchen versprechen?

Cleon.  Aber Lottchen hat Sie so lieb, lieber als mich.  Und ich
daechte, es waere unbillig, dass Sie sie vergaessen.  Ich kann mir nicht
einbilden, dass meine Tochter so unbestaendig sein sollte.  Ich habe sie
selber vielmal fuer Sie beten hoeren, dass es Ihnen der Himmel moechte
wohlgehen und Sie ihr zum Vergnuegen leben lassen, wenn es sein Wille
waere.  Sollte sie denn so leichtsinnig sein?  Nein.  Sie irren sich
wohl.

Siegmund.  Eben deswegen wollen wir die Sache noch geheimhalten.  Ich
liebe Lottchen wie meine Seele, und ich werde sie auf alle Art zu
erhalten suchen.

Cleon.  Wir wollen heute zusehn.  Wir wollen genau auf alles achtgeben.
  Ich denke gewiss, es soll bei der ersten Einrichtung bleiben.  Ich
will Ihnen Lottchen mit einer guten Art herschicken.  Sagen Sie ihr
nur recht viel Zaertliches vor.  Sie hoert es gern.  Julchen will ich
selber noch einmal ausforschen; aber ganz schlau.  Ich habe mich lange
aufgehalten und den Herrn Simon alleine gelassen.  Wenn es nur der
rechtschaffene Mann nicht uebelnimmt.



Siebenzehnter Auftritt

Siegmund allein.


Das geht gut.  Julchen wird noch meine...  Sie ist schoen, reich und
wohlgesittet, aufrichtig, edelgesinnt...  Aber, Himmel, wenn Lottchen
mein Vorhaben erfahren sollte!  Wuerde sie mein Herz nicht verfluchen?..
.  Doch nein.  Sie ist sicher.  Sie liebt mich...  Aber was quaelt
mich?  Sind es die Schwuere, die ich ihr...?  Unkraeftige Schwuere der
Treue, euch hoert der Himmel nicht...  O Julchen, wie reizend bist du!
Dich zu besitzen, ist dies kein gerechter Wunsch?



Achtzehnter Auftritt

Siegmund.  Lottchen.


Lottchen.  Itzt kommen sie beide.  Nun wollen wir's ihnen entdecken.
Wie wird sich Julchen erfreuen, o wie wird sie sich erfreuen!  Und Sie,
 mein Freund, Sie haben mich doch noch lieb?  Vergeben Sie mir diese
ueberfluessige Frage.

Siegmund.  Ja, meine Schoene, ich liebe Sie ewig und bin durch Ihre
Liebe fuer meine Treue unendlich belohnet.  O koennte ich Sie doch
vollkommen gluecklich machen!  (Er kuesst sie.)  Um dies Vergnuegen muss
mich ein Prinz beneiden.  Hier kommen sie.  Erlauben Sie, meine Schoene,
 der Papa wartet schon lange mit dem Kaffee auf mich.  Er moechte
ungehalten werden.



Neunzehnter Auftritt

Lottchen.  Julchen.  Damis.


Lottchen (zu Damis).  Ich wollte Ihnen ein schoenes, junges,
liebenswuerdiges Frauenzimmer mit einem Rittergute anbieten, wenn Sie
Julchen wollen fahren lassen.

Julchen.  Ist das die Neuigkeit?

Damis.  Und wenn Ihr Frauenzimmer zehn Rittergueter haette: so wuerde mir
Julchen auch in einer Schaeferhuette besser gefallen.

Julchen.  Was reden Sie?  Hoeren Sie doch Lottchen an.  Wer weiss, wie
gluecklich Sie werden!  Ich goenne es Ihnen und der andern Person.
Lottchen, wer ist sie denn?

Lottchen.  Es ist ein artiges Kind.  Sie hat ein Rittergut fuer
funfzigtausend Reichstaler.  Sie ist wohlerzogen.

Julchen.  So?  Aber, wo...  Wie heisst sie denn?

Lottchen.  Sie ist fast so schoen wie du.

Julchen.  Das mag ich ja nicht wissen.  Wenn ich schoen bin: so wird
mir's der Spiegel sagen.  So muss keine Schwester mit der andern reden.
 Sage es dem Herrn Damis allein.  Ich werde wohl nicht dabei noetig
sein.  (Sie will gehn.)

Damis.  Ach, liebe Mamsell, gehn Sie noch nicht.  Ich gehe mit Ihnen.

Julchen.  Das wird sich nicht schicken.  Das Frauenzimmer mit dem
Rittergute, das sich in Sie verliebt hat, wuerde es sehr uebelnehmen.
Es ist gut, dass Sie sich bei mir in den Liebeserklaerungen geuebt haben.
 Nunmehr werden sie Ihnen wenig Muehe machen.

Lottchen.  Hoere nur, meine Schwester.  Es koemmt erst darauf an, ob das
Frauenzimmer dem Herrn Damis gefallen wird.  Sie hat freilich schoene
grosse blaue Augen, fast wie du; eine gefaellige Bildung und eine recht
erobernde Miene; kleine volle runde Haende.  (Julchen sieht ihre Haende
an.)  Sie ist dem Herrn Damis gut; aber sie liebt auch die Freiheit.

Julchen.  O ich weiss gar nicht, was du haben willst?  Kurz, wie heisst
denn das Frauenzimmer, die den Herrn Damis liebt?

Lottchen.  Sie heisst ebenfalls, wie du, Julchen.

Julchen.  Oh!  du willst mich zum Kinde machen.

Lottchen.  Nein, Julchen, ich kuendige hiermit dir und deinem Liebhaber
ein ansehnliches Glueck an.  Die selige Frau Muhme hat dir in ihrem
Testamente ihr ganzes Rittergut vermacht.  Herr Simon hat uns die
Nachricht nur itzt gegeben, und ich habe ihn gebeten, dass er mir die
Freude goennen moechte, sie euch beiden zuerst zu hinterbringen.  Meine
liebe Schwester, ich wuensche dir tausend Glueck zu deiner Erbschaft,
und Ihnen, mein Freund, wuensche ich meine Schwester.  Wie gluecklich
bin ich heute!

Julchen.  Was?  Das ganze Rittergut?  Und dir nichts?  Haette sie es
denn nicht teilen koennen?  Ist es denn auch gewiss?  Kann es nicht ein
Missverstand sein?  Warum hat sie denn dir nichts vermacht?

Lottchen.  Wenn sie dich nun lieber gehabt hat als mich.  Genug, die
Erbschaft ist deine und fuer dich bestimmt gewesen.  Ich habe genug,
wenn ich kuenftig ohne Kummer mit meinem Geliebten leben kann.  Ach,
Julchen, ich weiss, dass dem Papa ein jeder Augenblick zu lang wird, bis
er dir seinen Glueckwunsch abstatten kann.  Ich habe ihn gebeten, dich
nichts merken zu lassen, bis ich mit dir geredt haette.

Damis.  Ich erstaune ganz.  Vielleicht waere es ein Glueck fuer mich,
wenn kein Testament waere.  Ach, mein liebes Julchen, soll ich Sie
verlieren?

Julchen.  Lottchen, ich teile das Gut mit dir und dem Papa.  Nein,
ganz wuensche ich mir es nicht.  Ich verdiene es auch nicht.  Traurige
Erbschaft!...  Ich war unruhig vor dieser Nachricht, und ich bin noch
nicht vergnuegt.  (Sie sieht den Damis an.)  Und Sie, mein Herr...?

Damis.  Und Sie, meine Schoene...?

Lottchen.  Kommt, sonst geht die traurige Szene wieder an.  Ich weiss,
dass der Papa schon ein wenig geschmaelet haben wird.



Zwanzigster Auftritt

Die Vorigen.  Cleon.


Cleon.  Ihr losen Kinder, wo bleibt ihr denn?  Soll sich der Kaffee
selber einschenken?

Lottchen.  Schmaelen Sie nicht, lieber Papa.  Ihre Toechter sind in
guten Haenden.  Wir waren gleich im Begriffe, zu Ihnen zu kommen.

Julchen.  Ach, lieber Papa...

Cleon.  Nun, was willst du?  Soll ich dir zu deinem Gluecke
gratulieren?  Ich habe vor Freuden schon darueber geweint.  Hast du
auch Gott fuer die reiche Erbschaft gedankt?  Du gutes Kind.  Ach
Lottchen, geh doch und schenke dem Herrn Simon noch eine Tasse Kaffee
ein.  Er will alsdann gehn und sich um die Abschrift des Testaments
bemuehn.  Sie, Herr Damis, sollen so guetig sein und ihm Gesellschaft
leisten.

Damis.  Von Herzen gern.

(Er geht mit Lottchen und Julchen, und der Vater winkt Julchen.)



Einundzwanzigster Auftritt

Cleon.  Julchen.


Cleon.  Nun, meine Tochter, wie steht es mit deinem Herzen?  Es muss
dir doch lieb sein, dass du ein Rittergut hast.

Julchen.  Ja, deswegen, damit ich's Ihnen und meiner Schwester
anbieten kann.

Cleon.  Du gutes Kind!  Behalte, was dein ist.  Willst du deiner
Schwester etwas geben; wohl gut.  Ich werde schon, solange ich lebe,
Brot in meinem kleinen Hause haben.  Aber, was spricht Herr Damis?
Hat auch der eine Freude ueber deine Erbschaft?

Julchen.  Meine Erbschaft scheint ihm sehr gleichgueltig zu sein.

Cleon.  Ja, ja, er hat freilich selber genug Vermoegen.  Aber du musst
auch bedenken, dass er dich gewaehlt hat, da du noch ein armes Maedchen
warest.  Ach, wenn du wissen solltest, wieviel Gutes mir der Herr
Vormund itzt von ihm erzaehlet hat, du wuerdest ihn gewiss lieben!  Ich
habe immer gedacht, er waere nicht gar zu gelehrt, weil er nicht so
hoch redt wie mein Bruder, der Magister; allein, sein Vormund hat mich
versichert, dass er ein rechter scharfsinniger Mensch waere und mehr
gute Buecher gelesen haette, als Stunden im Jahre waeren.  Wer haette das
denken sollen?

Julchen.  Dass er gelehrt ist, habe ich lange gewusst; allein dass ich's
nicht bin, weiss ich leider auch.  Vielleicht sucht er die
Gelehrsamkeit bei einem Frauenzimmer und nicht ein Rittergut.

Cleon.  Du redst artig.  Da werden die Toechter studieren koennen wie
die Soehne.  Du kannst ja auf der Laute spielen.  Du kannst schoen
singen.  Du kannst dein bisschen Franzoesisch.  Du schreibst einen
feinen Brief und eine gute Hand.  Du kannst gut tanzen, verstehst die
Wirtschaft und siehst ganz fein aus, bist ehrlicher Geburt, gesittet
und fromm und nunmehr auch ziemlich reich.  Was will denn ein Mann
mehr haben?  Herr Damis liebt dich gewiss.  Mache, dass ich ihn bald
Herr Sohn und dich Braut heissen kann.

Julchen.  Braut?  Das weiss ich nicht.  Sollte er mich lieben?  Papa,
Sie haben mich wohl zu sehr gelobt.  Meine Schwester kann ja
ebensoviel und noch mehr als ich.

Cleon.  Es ist itzt die Rede nicht von deiner Schwester.  Sie hat
ihren Herrn Siegmund und verlangt kein grosses Glueck.  Gib ihr etwas
von deinem Vermoegen: so wird sie vollkommen zufrieden sein.  Und so
will ich sie gleich heute verloben.  Oder moechtest du Herrn Siegmunden
lieber zum Manne haben?

Julchen.  Ich, Papa?  Herrn Siegmunden?  Wie kommen Sie auf die
Gedanken?  Wenn ich lieben wollte: warum sollte ich nicht den Herrn
Damis lieben?  Hat er nicht vielleicht noch mehr Verdienste als jener?
 Und wenn auch dieser liebenswuerdiger waere, da er es doch nicht ist,
wie koennte ich ohne Verbrechen an ihn denken, da ihn meine Schwester
und er sie so zaertlich liebt?

Cleon.  So gefaellst du mir.  Ich bin ein rechter gluecklicher Vater.
(Er klopft sie auf die Backen.)  Meine liebe schoene Tochter, bleibe
bei den Gedanken.  Du wirst wohl dabei fahren.  Nicht wahr, du hast
den Herrn Damis viel lieber als Herrn Siegmunden?  Dieser scheint mir
zuweilen ein bisschen leichtsinnig zu sein oder doch lose.  Ich habe
alleweile mit dem Herrn Simon von ihm gesprochen und allerhand...

Julchen.  Papa, wenn ich mich zur Liebe entschliesse: so gebe ich Ihnen
mein Wort, dass ich einen Mann waehle, wie Herr Damis ist.  Wenn ich nur
nicht meine Freiheit dabei verloere!  Wenn ich nur wuesste, ob ich ihn
etwan schon gar liebte!  Nein, Papa, ich liebe ihn noch nicht.  Ich
habe eine so reiche Erbschaft getan, und gleichwohl bin ich nicht
zufriedner.  Ob ich etwan gar krank werde?

Cleon.  Ja, wohl kann man vor Liebe krank werden.  Aber die Gegenliebe
macht wieder gesund.  Ich spraeche ja, wenn ich wie du waere, damit ich
der Krankheit zuvorkaeme.

Julchen.  Ach!  Papa.

Cleon.  Ach!  Du sollst nicht "Ach", du sollst "Ja" sprechen.  Du
gefaellst ihm ganz ausnehmend.  Er wird dich wie sein Kind lieben.

Julchen.  Aber werde ich ihm stets gefallen?

Cleon.  Das kannst du denken.  Woran stoesst sich denn dein Herz noch?
Befuerchtest du denn gar, dass er dir kuenftig untreu werden moechte?
Nimmermehr!  Der Herr Vormund hat mir gesagt, dass dein Liebster sehr
viel Religion haette und oft zu sagen pflegte, dass er kein Mensch sein
moechte, wenn er nicht zugleich ein Christ sein sollte.  Er wird dich
gewiss zeitlebens fuer gut halten.  Er wird seine Schwuere nicht brechen.

Julchen.  Ich hoere keine Schwuere von ihm.  Wuerde er seine Liebe nicht
beteuern, wenn er mich...?

Cleon.  Das ist schoen, dass er nicht schwoert.  Um desto mehr kannst du
auf sein Wort bauen.  Das oeffentliche Versprechen ist eben der Schwur
in der Liebe.  Und diesen Schwur will er heute tun, wenn du ihn
zugleich tun willst.

Julchen.  Papa, ich bin unentschlossen und ungeschickt, die Sache
recht zu ueberlegen.  Lassen Sie mir noch Zeit.

Cleon.  Bis auf den Abend bei Tische sollst du Zeit haben.  Alsdann
sprich "Ja" oder "Nein".  Die Sache ist ernstlich gemeint.  Ich habe
dir mein Herz entdeckt.  Du hast meine Einwilligung.  Mache es, wie du
willst.  Komm, dein Liebster wird sich schon recht nach dir umgesehen
haben.  Die beiden schwarzen Pflaesterchen lassen recht huebsch zu
deinem Gesichte.  Bist du denn etwan ausgefahren?

Julchen.  Ja, ich habe zu Mittage ein Glas Wein getrunken.

Cleon.  Nun, nun, es wird schon wieder vergehen, ehe du mir einen
Gevatterbrief schickst.  Komm und fuehre mich bei der Hand.  Ich moechte
gern einmal von einer Braut gefuehret werden.

(Ende des zweiten Aufzugs.)




Dritter Aufzug



Erster Auftritt

Siegmund.  Julchen.


Julchen.  Was sagen Sie mir?  Das glaube ich in Ewigkeit nicht.

Siegmund.  Ich aber glaube es.

Julchen (bestuerzt).  Hat er es Ihnen denn selbst gesagt?  Ich
Unglueckliche!

Siegmund.  Er hat mir's nicht mit deutlichen Worten gesagt: aber es
ist gewiss, dass er Ihnen Lottchen weit vorzieht.  Ich wollte ihm diese
Beleidigung, so gross sie auch ist, gern vergeben, wenn er nur Sie
nicht zugleich beleidigte.  Ich bedaure Sie, mein Engel.  Ich weiss,
Sie meinen es aufrichtig und werden meine Redlichkeit dadurch belohnen,
 dass Sie dem Unbestaendigen wenigstens meinen Namen verschweigen.

Julchen.  War dies die Ursache seiner Traurigkeit?  Der Treulose!  Was
hat er fuer Vorteil davon, ein unerfahrnes Herz zu betruegen?  Wenn er
mir aus Rache das Leben haette nehmen wollen: so wuerde ich ihn noch
nicht hassen.  Aber dass er mich unter der Maske der Liebe und
Aufrichtigkeit hintergeht, ist die schandbarste Tat.

Siegmund.  Er wird es leugnen, denken Sie an mich.

Julchen.  Der Verraeter!  Ja, er soll es leugnen.  Ich mag dieses
Verbrechen nie aus seinem Munde erfahren.  Ich will ihn nicht
bestrafen.  Nein!  Sein Gewissen wird mich raechen...  Wie?  Er?  dem
ich heute mein Herz schenken...  doch nein, ich habe ihn nicht geliebt.
  Aber hat er nicht tausendmal gesagt, dass er mich liebte?  Haelt man
sein Wort unter den Maennern nicht besser?

Siegmund.  O meine Freundin, lassen Sie das Verbrechen eines einzigen
nicht auf unser ganzes Geschlecht fallen.  Sollten Sie mein Herz sehen!
  Ja...  auch der Zorn macht Sie noch liebenswuerdiger.

Julchen.  Verlassen Sie mich, liebster Freund.  Ich will...  Und du,
meine Schwester, du schweigst?  Und alles dies tust du, o Liebe, du
Pest der Menschen!...  Verlassen Sie mich.  Ich verspreche Ihnen bei
meiner Ehre, Ihren Namen nicht zu entdecken und Ihre Aufrichtigkeit
zeitlebens zu belohnen.  Aber kommen Sie bald wieder hieher.

Siegmund.  Sobald, als ich glaube, dass sich Ihre Hitze etwas gelegt
haben wird.



Zweiter Auftritt

Julchen.  Damis.


Julchen (die ihn in der Hitze nicht kommen sieht).  Eben zu der Zeit,
da er mir die teuresten Versicherungen der Liebe gibt, wird er auch
untreu...?  Und ich, ich kann ihn noch nicht hassen?  Bin ich
bezaubert?

Damis.  Allerliebstes Kind, sehen Sie mich denn nicht?  Mit wem reden
Sie?

Julchen.  Mit einem Betrueger, den ich geliebt haben wuerde, wenn ich
weniger von ihm erfahren haette.  (Gelinder.)  Ist es Ihnen moeglich
gewesen, mich zu hintergehn?  Mich?  die ich schon anfing, Sie im
Herzen allen Personen Ihres Geschlechts vorzuziehn?  Warum handeln Sie
so grausam und erwecken eine Neigung in mir, die ich verabscheuen muss,
nachdem ich sie gefuehlt habe?  Doch um Ihnen zu zeigen, was Sie fuer
ein Herz hintergangen haben: so sage ich Ihnen, dass ich Sie niemals
hassen, dass ich mich vielmehr bemuehen werde, Ihren Fehler vor mir
selbst zu verbergen.

Damis.  Ich Ungluecklicher!  Ist der Betrueger der Name, den ich
verdiene?  Ich entschuldige mich nicht einen Augenblick, erzuernte
Freundin.  Ich sage Ihnen vielmehr mit dem Stolze eines guten
Gewissens, dass mein Herz gar keines Betrugs faehig ist.  Ich verlange
es auch nicht zu wissen, wer Ihnen die uebele Meinung beigebracht hat.
Die Zeit wird mich schon rechtfertigen.

Julchen.  Und Sie sprechen noch mit so vielem Stolze?



Dritter Auftritt

Die Vorigen.  Lottchen.


Damis (zu Lottchen).  Kommen Sie, meine Freundin, und fangen Sie an,
mich zu hassen.  Ich soll meine Juliane hintergangen haben.

Lottchen.  Haben Sie sich beide schon ein wenig gezankt?  Vermutlich
ueber die ersten Kuesse.

Damis (zu Julchen).  Verklagen Sie mich doch bei Ihrer Jungfer
Schwester.  Sagen Sie ihr doch mein Verbrechen.

Julchen.  Vielleicht faende ich da die wenigste Huelfe.

Lottchen.  Ach, Julchen, wenn die selige Frau Muhme es haette wissen
sollen, dass du dich an dem Tage deiner Verlobung mit deinem Braeutigam
zanken wuerdest: sie haette dir nicht einen Ziegel von ihrem Rittergute
vermacht.  Ich habe die gute Hoffnung, dass der Krieg nicht lange
dauern wird.  Dein Herz ist von Natur friedfertig, wenngleich die
Liebe etwas zaenkisch ist.

Julchen.  O scherze nicht.

Lottchen (zu Damis).  Sehn Sie nur Ihre liebe Braut recht an.  Haben
Sie sie durch eine kleine Liebkosung erbittert gemacht: so wollte ich
Ihnen den Rat geben, sie durch zwo neue zu besaenftigen.  Julchen, rede
wenigstens mit mir, wenn es Herr Damis nicht verdient.  Oder wenn er
dich ja beleidiget hat: so lass dir den Kuss wiedergeben: so seid ihr
geschiedene Leute.  Was habt ihr denn miteinander?

Julchen.  Was wir miteinander haben?  Das werde ich in deiner
Gegenwart nicht sagen koennen.  Ich glaube zwar gar nicht, dass du ihm
Gelegenheit gegeben hast.  Und was kann er dafuer, dass du
liebenswuerdiger bist als ich?  Auch sein Vergehn ist noch ein
Verdienst.  Er wuerde dich nicht lieben, wenn er nicht die groessten
Vorzuege zu lieben gewohnt waere.  Ich entschuldige ihn selbst.

Lottchen.  Du gutes Kind!  Also bin ich deine Nebenbuhlerin!  Du
dauerst mich in Wahrheit.  Ich will dir das ganze Geheimnis eroeffnen.
Kommen nicht die Beschuldigungen wider deinen Liebhaber von Herrn
Siegmunden her?  Ich kann mir's leicht einbilden.  Er hat sich in dich
verliebt stellen sollen, um dich zu ueberfuehren, dass du vielleicht
schon liebtest.  Er wird also die List gebraucht und dich beredt haben,
 dass Herr Damis mich liebte.  Vergib ihm diesen Scherz.  Er hat seine
Rolle gar zu gut gespielt.

Julchen.  Er tat sehr ernstlich und...

Damis (zu Julchen).  Sehn Sie, was ich fuer ein betruegerisches Herz
habe?

Julchen.  Aber...

Damis.  Sie koennen noch ein Misstrauen in mich setzen?  Wie wenig
muessen Sie mich kennen!

Julchen.  Ich?  mein Herr...

Damis.  Ist das der Lohn fuer meine Liebe?

Julchen.  Der Lohn?  Hassen Sie mich denn?  Wuerde ich eifersuechtig
geworden sein, wenn ich nicht...  Also haben Sie mich nicht
hintergangen?  Ja, mein ganzes Herz hat fuer Sie gesprochen.

Lottchen.  Du hast dich fangen lassen, meine gute Schwester.  Und ich
merke, dass es dir schon weh tut, dass du deinen Geliebten wegen deiner
Hitze noch nicht um Vergebung gebeten hast.  Ich will es an deiner
Stelle tun.  (Zum Damis.)  Mein Herr, sein Sie so guetig und vergeben
Sie es Julchen, dass Sie zaertlicher von ihr geliebt werden, als Sie
gedacht haben.

Julchen.  Nein, wenn ich mich geirrt habe: so bitte ich Ihnen meinen
Fehler freiwillig ab.

Damis.  Aber lieben Sie mich denn auch?

Julchen.  Ja.  Nunmehr weiss ich's gewiss, dass ich Sie liebe.  Und
nunmehr bin ich bereit, dieses Bekenntnis vor meinem Vater und Ihrem
Herrn Vormunde zu wiederholen, wenn Ihre Wuensche dadurch befriediget
werden.

Damis.  Meine Juliane!  Ich bin zu gluecklich.

Julchen.  Wenn ich Ihr Herz noch nicht haette: so wuerde ich nunmehr
selbst darum bitten, so hoch schaetze ich's.

Damis.  Vortreffliche Juliane!  Ich bin...  Doch es ist mir kein
Gedanke anstaendig genug fuer Sie.  Dieses ist es alles, was ich Ihnen
in der Entzueckung antworten kann.

Lottchen.  Meine liebe Schwester (sie umarmt Julchen), deine Liebe sei
ewig gluecklich!  Sei mir ein Beispiel der Zaertlichkeit und der
Zufriedenheit.  (Zum Damis.)  Und Sie, mein lieber Herr Bruder, sollen
so gluecklich sein, als ich meine Schwester zu sehn wuensche.  Bleiben
Sie ein Freund meines Freundes, und befoerdern Sie unsere Ruhe durch
Ihre Aufrichtigkeit.  Kommen Sie, wir wollen zu unserm ehrlichen Vater
gehn.  Wie froh wird der fromme Alte nicht sein, wenn er Julchens
Entschluss hoert!  Doch ich sehe den Herrn Vormund kommen.  Gehn Sie,
ich will das Vergnuegen haben, diesem rechtschaffenen Mann, der mir
heute eine freudige Post gebracht hat, auch die erste Nachricht von
der Gewissheit Ihrer beiderseitigen Liebe zu geben.

(Julchen und Damis gehn ab.)



Vierter Auftritt

Lottchen.  Simon.


Simon.  Endlich habe ich die Ehre, Ihnen die Abschrift von dem
Testamente zu bringen.  Ich habe sie selbst geholet.  Wollen Sie
unbeschwert diesen Punkt lesen?  (Er reicht ihr die Abschrift.)

Lottchen (sie liest).  Wie?  Ich bin die Erbin des Ritterguts?  Ich?

Simon.  Ja, Sie sind es, Mamsell, und nicht Ihre Jungfer Schwester.
Der Herr Hofrat, der mir die erste Nachricht gegeben, muss sich
entweder geirret oder diese kleine Verwirrung mit Fleiss angerichtet
haben, um seiner Jungfer Pate eine desto groessere Freude zu machen.
Genug, es ist nunmehr gewiss, dass Sie die Erbin des Ritterguts sind,
und kein Mensch kann Ihnen dieses Glueck aufrichtiger goennen, als ich
tue.  Sie verdienen noch weit mehr.

Lottchen.  O das ist ein trauriges Glueck!  Wird nicht meine liebe
Schwester darueber betruebt werden?  Wird nicht Ihr Herr Muendel...?

Simon.  Waren Sie doch viel zufriedner, da ich Ihnen die erste und
nunmehr falsche Nachricht brachte.  Lesen Sie doch nur weiter.  Sie
sind die Erbin des Ritterguts, aber Sie sollen Jungfer Julchen
zehntausend Taler abgeben, sobald sie heiraten wird.

Lottchen.  Nun bin ich zufrieden.  Sie soll noch mehr haben als
zehntausend Taler, wenn sie sich nur nicht ueber ihren Verlust kraenkt.
O was fuer Bewegungen fuehle ich in meiner Seele!  Und was werde ich
erst da empfinden, wenn ich meinen Geliebten vor Freuden ueber mein
Glueck erschrecken sehe?  O wie schoen wird er erschrecken!  Gott, wie
gluecklich bin ich!  Wenn nur meine liebe Schwester nicht unruhig wird.



Fuenfter Auftritt

Die Vorigen.  Siegmund.


Siegmund.  Jungfer Julchen hat, wie ich gleich gehoert, endlich ihr Ja
von sich gegeben?  Ist es gewiss?  Das ist mir sehr angenehm.

Lottchen (zu Simon).  Ja, sie hat sich nach dem Wunsche Ihres Herrn
Muendels erklaert und wird die Ehre haben, Sie um einen Braeutigam zu
bitten, der unter Ihren Haenden so liebenswuerdig geworden ist.  Aber,
mein Liebster, hier ist die Abschrift von dem Testamente.  Geht es
Ihnen nicht ein wenig nahe, dass die Frau Muhme uns beide vergessen hat?

Siegmund.  Nein, nicht einen Augenblick.  Sie sind mir mehr als ein
reiches Testament.

Lottchen.  Aber wenn uns Julchen etwas von ihrer Erbschaft anbieten
sollte, wollen wir's annehmen?

Siegmund.  Da sie nicht mehr ueber ihr Herz zu gebieten hat: so hat sie
auch nicht ueber ihr Vermoegen zu befehlen.

Simon.  O mein Herr, Sie koennen versichert sein, dass ihr mein Muendel
die voellige Freiheit lassen wird, freigebig und erkenntlich zu sein.
Er sucht seinen Reichtum nicht in dem Ueberflusse, sondern in dem
Gebrauche desselben.  Er wuerde Julchen gewaehlt haben, wenn sie auch
keine Erbschaft getan haette.  Und vielleicht waere es ihm gar lieber,
wenn er ihr Glueck durch sich allein haette machen koennen.  Wir wollen
wuenschen, dass alle Liebhaber so edel gesinnt sein moegen als er.

Lottchen.  Hoeren Sie, Herr Siegmund, was wir fuer einen grossmuetigen
Bruder bekommen haben?

Siegmund.  Er macht seinem Herrn Vormunde und uns die groesste Ehre.

Simon.  Ja, ich bin in der Tat stolz auf ihn.  Er ist von seinem
zehnten Jahre an in meinem Hause gewesen und hat bis auf diese Stunde
alle meine Sorgfalt fuer ihn so reichlich belohnet und mir so vieles
Vergnuegen gemacht, dass ich nicht weiss, wer dem andern mehr Dank
schuldig ist.

Lottchen.  Dieses ist ein Lobspruch, den ich niemanden als dem
Braeutigam meiner Schwester goenne.  Und wenn mein Papa sterben sollte:
so wuerde ich Ihr Muendel sein, um ebendieses Lob zu verdienen.  O was
ist der Umgang mit grossen Herzen fuer eine Wollust!  Aber, Herr Simon,
darf ich in Ihrer Gegenwart eine Freiheit begehen, die die Liebe
gebeut und rechtfertiget?  Ja, Sie sind es wuerdig, die Regungen meiner
Seele ohne Decke zu sehen.  (Sie geht auf Siegmund zu und umarmet ihn.
)  Endlich, mein Freund, bin ich so gluecklich, Ihren Umgang und Ihre
Treue gegen mich durch ein unvermutetes Schicksal zu belohnen.  Sie
haben mich als ein armes Frauenzimmer geliebt.  Die Vorsicht hat mich
heute mit einer Erbschaft beschenkt, die ich nicht ruehmlicher
anzuwenden weiss, als wenn ich sie in Ihre Haende bringe.  Ich weiss, Sie
werden es mir und der Tugend davon wohlgehen lassen.  Hier ist eine
Abschrift des Testaments, worin ich zur Erbin erklaeret bin, anstatt
dass es meine liebe Schwester nach unserer Meinung war.  Kurz, die
Erbschaft ist Ihre, und ein Teil von zehntausend Talern gehoert Julchen.
  Fragen Sie nunmehr Ihr Herz, was Sie mit mir anfangen wollen.

Siegmund.  Ohne Ihre Liebe ist mir Ihr Geschenke sehr gleichgueltig.

Lottchen.  Eben deswegen verdienen Sie's.  Fehlt zu Ihrem Gluecke
nichts als meine Liebe: so koennen Sie nie gluecklicher werden.

Siegmund.  Ach, meine Schoene, wie erschrecke ich!  Sie machen, dass man
die Liebe und das Glueck erst hochschaetzt.  O warum kann nicht die
ganze Welt Ihrer Grossmut zusehen!  Sie wuerden auch den
niedertraechtigsten Seelen liebenswuerdig vorkommen und ihnen bei aller
Verachtung der Tugend den Wunsch auspressen, dass sie Ihnen gleichen
moechten.  Ich danke es der Schickung ewig, dass sie mir Ihren Besitz
zugedacht hat.  Und ich eile mit Ihrer Erlaubnis zu Ihrem Herrn Vater,
um ihn nunmehr...



Sechster Auftritt

Die Vorigen.  Ein Bedienter.


Der Bediente (zu Lottchen).  Hier ist ein Brief an Sie, Mamsell.  Er
koemmt von der Post.

Lottchen.  Ein Brief von der Post?

Siegmund.  Ja, ich habe den Brieftraeger selbst auf dem Saale stehen
sehen, ehe ich hereingekommen bin.

Lottchen.  Wollen Sie erlauben, meine Herren, dass ich den Brief in
Ihrer Gegenwart erbrechen darf?

Simon.  Ich will indessen meinem lieben Muendel meinen Glueckwunsch
abstatten.



Siebenter Auftritt

Lottchen.  Siegmund.


Lottchen (indem sie den Brief fuer sich gelesen hat).  O mein Freund,
man will mir mein Glueck sauermachen.  Man beneidet mich, sonst wuerde
man Sie nicht verkleinern.  Es ist ein boshafter Streich; er ist mir
aber lieb, weil ich Ihnen einen neuen Beweis meines Vertrauens und
meiner Liebe geben kann.  Ich will Ihnen den Brief lesen.  Er besteht,
wie Sie sehen, nur aus zwo Zeilen.  (Sie liest.)  "Mamsell, trauen Sie
Ihrem Liebhaber, dem Herrn Siegmund, nicht.  Er ist ein Betrueger.  N.
N."

Siegmund.  Was?  Ich ein Betrueger?

Lottchen (sie nimmt ihn bei der Hand).  Ich weiss, dass Sie gross genug
sind, dieses hassenswuerdige Wort mit Gelassenheit anzuhoeren.  Es ist
ein Lobspruch fuer Sie.  Ich verlange einen solchen Betrueger, als Sie
sind, mein Freund.

Siegmund.  Aber wer muss mir diesen boshaften Streich an dem heutigen
Tage spielen?  Wie?  Sollte es auch Herr Simon selbst sein?  Liebt er
Sie vielleicht?  Macht ihn Ihre Erbschaft boshaft?  Warum ging er, da
der Brief kam?  Soll ich ihm dieses Laster vergeben?  Wenn er mir
meinen Verstand, meinen Witz abgesprochen haette: so wuerde ich ihm fuer
diese Demuetigung danken; aber dass er mir die Ehre eines guten Herzens
rauben will, das ist aerger, als wenn er mir Gift haette geben wollen.
Ich?...  Ich, ein Betrueger?  Himmel, bringe es an den Tag, wer ein
Betrueger ist, ich oder der, der diesen Brief geschrieben hat!  Ist das
der edelgesinnte Vormund?

Lottchen.  Ich bitte Sie bei Ihrer Liebe gegen mich, beruhigen Sie
sich.  Verschonen Sie den Herrn Vormund mit Ihrem Verdachte.  Es ist
nicht moeglich, dass er eine solche Niedertraechtigkeit begehen sollte.
Sein Charakter ist edel.  Wer weiss, was Sie sonst fuer einen Feind
haben, der von unserer Liebe und von meiner Erbschaft heute Nachricht
bekommen hat.

Siegmund.  Sie entschuldigen den Vormund noch?  Hoerten Sie nicht den
boshaften Ausdruck: Wir wollen wuenschen, dass alle Liebhaber so edel
gesinnt sein moegen als mein Muendel?  Ist dieses nicht eine
unverschaemte Anklage wider mich?

Lottchen.  Ich sage Ihnen, dass Sie mich beleidigen, wenn Sie ihn noch
einen Augenblick in Verdacht haben.  So, wie ich ihn kenne und wie mir
ihn sein Muendel beschrieben hat: so ist er ein Mann, dem man sein
Leben, seine Ehre und alles vertrauen kann.

Siegmund.  Aber sollte er nicht unerlaubte Absichten haben?  Ich habe
gemerkt, dass er sehr genau auf Ihr ganzes Bezeigen, bis auf das
geringste Wort Achtung gegeben hat.  Es koemmt noch ein merkwuerdiger
Umstand dazu.  Er hat in dem Billette an Ihren Herrn Vater schon
triumphieret, dass er heute eine erfreuliche Nachricht vom Hofe
erhalten haette.  Und er hat es dem Herrn Vater auch schon entdeckt;
aber mir nicht.

Lottchen.  Ich beschwoere Sie bei Ihrer Aufrichtigkeit, lassen Sie
diesen Mann aus dem Verdachte.

Siegmund.  Warum hat er mir nicht gesagt, dass man ihm vom Hofe einen
vornehmen Charakter und eine ungewoehnliche Pension gegeben hat?  Was
sucht er darunter, wenn er nicht mein Unglueck bei Ihnen sucht?

Lottchen.  Ich vergebe Ihren Fehler Ihrer zaertlichen Liebe zu mir.
Ausserdem wuerde ich Sie nicht laenger anhoeren.  Wir wollen die Sache zu
unserm Vorteile enden.  Ihre Feinde moegen sagen, was sie wollen.  Sie
sind bestraft genug, dass sie Ihren Wert nicht kennen.  Und wir koennen
uns nicht besser raechen, als dass wir uns nicht die geringste Muehe
geben, sie zu entdecken.  Lassen Sie Ihren Zorn hier verfliegen.  Ich
komme in der Gesellschaft meines Vaters und der uebrigen gleich wieder
zu Ihnen, unser Buendnis in den Augen unserer Feinde sicher zu machen.


Achter Auftritt

Siegmund allein.


Das war ein verfluchter Streich!  Aber er macht mich nur mutiger.
Julchen ist verloren...  Gut, ist doch Lottchen, ist doch das
Rittergut mein...  Ich bin nicht untreu gewesen.  Nein!  Ich habe es
nur sein wollen; aber ich war zu edel, als dass mich's die Umstaende
haetten werden lassen.  Aber wo bleibt Lottchen?  Hat sie gar meine
Untreue erfahren?  Ich will sie sicher machen.



Neunter Auftritt

Julchen.  Damis.


Julchen.  "Wo bleibt Lottchen?  Hat sie gar meine Untreue erfahren?
Ich will sie sicher machen." Der Boshafte!  Hoerten Sie sein
Bekenntnis?  Wir wollten sehen, wie er sich nach diesem Briefe
auffuehren wuerde.  O haetten wir diese unglueckselige Entdeckung doch
niemals gemacht!  Du arme Schwester!  Du verbindest dich mit einem
Menschen, der ein boeses Herz bei der Miene der Aufrichtigkeit hat.

Damis.  Ja, es ist ein nichtswuerdiger Freund, wie ich Ihnen gesagt
habe.  Er hat den groessten Betrug begangen.  Ich bitte ihn heute
Vormittage, wie man einen Bruder bitten kann, dass er mir Ihre Liebe
sollte gewinnen helfen.  Und statt dessen bittet er Ihren Herrn Vater,
unsere Verlobung noch acht Tage aufzuschieben, und will ihn bereden,
als ob Sie, meine Braut, ihn selbst liebten.  Ist das mein Freund, dem
ich mehr als einmal mein Haus und mein Vermoegen angeboten habe?

Julchen.  Mich hat er bereden wollen, dass Sie meiner Schwester
gewogener waeren als mir.  Nunmehro weiss ich gewiss, dass es keine
Verstellung gewesen.  Aber meine arme Schwester wird es doch denken,
weil sie ihm diese List aus gutem Herzen aufgetragen hat.  Wer soll
ihr ihren Irrtum entdecken?  Wird sie uns hoeren?  Und wenn sie es
glaubt, ueberfuehren wir sie nicht von dem groessten Ungluecke!  Wie dauret
sie mich!

Damis.  Ja.  Aber sie muss es doch erfahren, und wenn Sie schweigen, so
rede ich.

Julchen.  Ach, bedenken Sie doch das Elend meiner lieben Schwester!
Schweigen Sie.  Vielleicht...  Vielleicht ist er nicht von Natur
boshaft, vielleicht hat ihn nur meine Erbschaft...

Damis.  Es habe ihn, was auch immer wolle, zur Untreue bewogen: so ist
er in meinen Augen doch allemal weniger zu entschuldigen als ein
Mensch, der den andern aus Hunger auf der Strasse umbringt.  Hat ihn
die ausnehmende Zaertlichkeit, die ganz bezaubernde Unschuld, die
edelste Freundschaft Ihrer Jungfer Schwester nicht treu und tugendhaft
erhalten koennen: so muss es ihm nunmehr leicht sein, um eines Gewinstes
willen seinen naechsten Blutsfreund umzubringen und die Religion der
geringsten Wollust wegen abzuschwoeren.

Julchen.  Aber ach, meine Schwester...  Tun Sie es nicht.  Ich zittre..
.

Damis.  Meine Braut, Sie sind mir das Kostbarste auf der Welt.  Aber
ich sage Ihnen, ehe ich Lottchen so ungluecklich werden lasse, sich mit
einem Nichtswuerdigen zu verbinden: so will ich mein Vermoegen, meine
Ehre und Sie selbst verlieren.  Ich gehe und sage ihr alles, und wenn
sie auch ohne Trost sein sollte.  Mein Herr Vormund hat das Billett an
Lottchen auf meine Bitte schreiben und auf die Post bringen lassen.
ihr ehrlicher Vater und der Magister, die Siegmund beide fuer zu
einfaeltig gehalten, haben seine tueckischen Absichten zuerst gemerkt,
und ihr Herr Vater hat sie meinem Vormunde vertraut.  Dieser hasst und
sieht die kleinsten Betruegereien.

Julchen.  Ist er denn gar nicht zu entschuldigen?

Damis.  Nein, sage ich Ihnen.  Wir haben alles untersucht.  Er ist ein
Betrueger.  (Mit Bitterkeit.)  Ich habe in meinem Leben noch kein Tier
gern umgebracht; aber diesen Mann, wenn er es leugnen und Lottchen
durch seine Verstellung ungluecklich machen sollte, wollte ich mit
Freuden umbringen.  Was?  Wir Maenner wollen durch den haesslichsten
Betrug das Frauenzimmer im Triumph auffuehren, das wir durch unsere
Tugend ehren sollten?

Julchen.  Was soll aber meine Schwester mit dem Untreuen anfangen?

Damis.  Sie soll ihn mit Verachtung bestrafen.  Sie soll ihn fuehlen
lassen, was es heisst, ein edles Herz hintergehn.

Julchen.  Wenn ihm aber meine Schwester verzeihen wollte.  Waere das
nicht auch grossmuetig?

Damis.  Sie braucht ihn nicht zu verfolgen.  Sie kann alle Regungen
der Rache ersticken und sich doch seiner ewig entschlagen.  Er ist ein
Unmensch.



Zehnter Auftritt

Die Vorigen.  Simon.


Simon.  Ich stehe die groesste Qual aus.  Unsere Absicht mit dem Briefe
schlaegt leider fehl.  Sie liebt ihn nur desto mehr, je mehr sie ihn
fuer unschuldig haelt.  Sie dringt in ihren Vater, dass er die Verlobung
beschleunigen soll.  Dieser gute Alte liebt seine Tochter und vergisst
vielleicht in der grossen Liebe die Vorsichtigkeit und meine
Erinnerungen.  Wenn es niemand wagen will, sich dem Sturme
preiszugeben: so will ich's tun.

Damis.  Ich tue es auch.

Julchen.  Wenn nur meine Schwester kaeme.  Ich wollte...  Aber sie
liebt ihn unaussprechlich.  Was wird ihr Herz empfinden, wenn es sich
auf einmal von ihm trennen soll?

Simon.  Es wird viel empfinden.  Sie liebt ihn so sehr, als man nur
lieben kann.  Aber sie liebt ihn deswegen so sehr, weil sie ihn der
Liebe wert haelt.  Sobald sie ihren Irrtum sehen wird: so wird sich die
Vernunft, das Gefuehl der Tugend und das Abscheuliche der Untreue wider
ihre Liebe empoeren und sie verdringen.  Der Hass wird sich an die
Stelle der Liebe setzen.  Wir muessen alle drei noch einmal mit ihr und
dem Herrn Vater sprechen, ehe er sie um das Ja betruegt.

Julchen.  Du redliche Schwester!  Koennte ich doch dein Unglueck durch
Wehmut mit dir teilen!  Wie traurig wird das Ende dieses Tages fuer
mich!

Simon.  Betrueben Sie sich nicht ueber den Verlust eines solchen Mannes.
 Lottchen ist gluecklich, wenn sie ihn verliert, und ungluecklich, wenn
sie ihn behaelt.  Herr Damis, haben Sie die Guete und sehen Sie, wie Sie
Lottchen einen Augenblick von ihrem Liebhaber entfernen und
hieherbringen koennen.

Damis.  Ja, das ist das letzte Mittel.

Simon (zu Damis).  Noch ein Wort.  Haben Sie die Abschrift des
Testaments schon gelesen, die ich itzt mitgebracht habe?

Damis.  Nein, Herr Vormund.

Simon.  Sie auch nicht, Mamsell Julchen?

Julchen.  Nein.

Simon.  Also wissen Sie beide noch nicht, dass die erste Nachricht
falsch gewesen ist.  Mamsell Julchen, erschrecken Sie nicht.  Sie sind
nicht die Erbin des Ritterguts.

Julchen.  Wie?  Ich bin's nicht?  Warum haben Sie mir denn eine
falsche Freude gemacht?  Das ist betruebt.  Geht denn heute alles
ungluecklich?  Ach, Herr Damis, Sie sagen nichts?  Bin ich nicht mehr
Ihre Braut?  Geht denn das Unglueck gleich mit der Liebe an?  Ich
wollte meinen Vater und meine liebe Schwester mit in mein Gut nehmen.
Ich liess schon die besten Zimmer fuer sie zurechtemachen.  Ach, mein
Herr, was fuer Freude empfand ich nicht, wenn ich mir vorstellte, dass
ich Sie an meiner Hand durch das ganze Gut, durch alle Felder und
Wiesen fuehrte...  !  Also habe ich nichts?

Damis.  Sie haben so viel, als ich habe.  Vergessen Sie die traurige
Erbschaft.  Es wird uns an nichts gebrechen.  Mir ist es recht lieb,
dass Sie das Rittergut nicht bekommen haben.  Vielleicht haette die Welt
geglaubt, dass ich bei meiner Liebe mehr auf dieses als auf Ihren
eigenen Wert gesehen haette.  Und dies soll sie nicht glauben.  Sie
soll meine Braut aus ebender Ursache hochschaetzen, aus der ich sie
verehre und waehle.  Fuehren Sie mich an Ihrer Hand in meinem eigenen
Hause herum: so werden Sie mir ebendas Vergnuegen machen.  Genug, dass
Sie ein Rittergut verdienen.  O wenn ich nur Lottchen aus ihrem Elende
gerissen haette.  Ich werde eher nicht ruhig.

Simon.  Jungfer Lottchen ist die Erbin des Ritterguts.

Julchen.  Meine Schwester ist es?  Meine Schwester?  Bald haette ich
sie beneidet; aber verwuenscht sei diese Regung!  Nein!  Ich goenne ihr
alles.  (Zu Damis.)  Was koennte ich mir noch wuenschen, wenn Sie mit
mir zufrieden sind.  Sie soll es haben.  Ich goenne ihr alles.

Damis.  Auch mich, meine Braut?

Julchen.  Ob ich Sie meiner Schwester goenne?  Nein, so redlich bin ich
doch nicht.  Es ist keine Tugend; aber...  Fragen Sie mich nicht mehr.

Damis.  Nein.  Ich will Mamsell Lottchen suchen.  Die Zaertlichkeit
soll der Freundschaft einige Augenblicke nachstehen.



Eilfter Auftritt

Julchen.  Simon.


Julchen.  Ob ich ihn meiner Schwester goenne?  Wie koennte sie das von
mir verlangen?  Sie hat ja das Rittergut.  Ich liebe sie sehr; aber
wenn ich ihre Ruhe durch den Verlust des Herrn Damis befoerdern soll:
so fordert sie zu viel.  Das ist mir nicht moeglich.

Simon.  Machen Sie sich keine Sorge.  Sie wird es gewiss nicht begehren.
  Ich muss Ihnen auch sagen, dass sie Ihnen nach dem Testamente
zehntausend Taler zu Ihrer Heirat abgeben soll.

Julchen.  Das ist alles gut.  Wenn ich nur meiner Schwester ihren
Liebhaber durch dieses Geld treu machen koennte, wie gern wollte ich's
ihm geben!  Der boese Mensch!  Kann er nicht machen, dass ich den Herrn
Damis verliere, indem er Lottchen verliert?  Aber warum laesst der
Himmel solche Bosheiten zu?  Was kann denn ich fuer seine Untreue?  Ich
bin ja unschuldig.

Simon.  Mein Muendel kann niemals aufhoeren, Sie zu lieben.  Verlassen
Sie sich auf mein Wort.  Jungfer Lottchen ist zu beklagen.  Aber
besser ohne Liebe leben, als ungluecklich lieben.  Wenn sie doch kaeme!

Julchen.  Aber wenn sie nun koemmt?  Ich kann ja ihre Ruhe nicht
herstellen.  Ich habe sie herzlich lieb.  Aber warum soll denn meine
Liebe mit der ihrigen leiden?  Nein, so grossmuetig kann ich nicht sein,
dass ich ihr zuliebe mich und...  mich und ihn vergaesse.  Wenn sie doch
gluecklich waere!  Ich werde recht unruhig.  Er sagte, er wollte die
Zaertlichkeit der Freundschaft nachsetzen.  Was heisst dieses?

Simon.  Bleiben Sie ruhig.  Mein Muendel ist der Ihrige.  Sie verdienen
ihn.  Und wenn Sie kuenftig an seiner Seite die Glueckseligkeiten der
Liebe geniessen: so verdanken Sie es der Tugend, dass sie uns durch
Liebe und Freundschaft das Leben zur Lust macht.



Zwoelfter Auftritt

Die Vorigen.  Der Magister.


Der Magister.  Herr Simon, ich moechte Ihnen gern ein paar Worte
vertrauen.  Wenn ich nicht sehr irre: so habe ich heute eine wichtige
Entdeckung gemacht, was die Reizungen der Reichtuemer fuer Gewalt ueber
das menschliche Herz haben.

Simon.  Ich fuerchte, dass mir diese unglueckliche Entdeckung schon mehr
als zu bekannt ist.

Der Magister.  Ich habe der Sache alleweile auf meiner Studierstube
nachgedacht.

Julchen.  Koennen Sie uns denn sagen, wie ihr zu helfen ist?  Tun Sie
es doch, lieber Herr Magister.

Der Magister.  Siegmund muss bestraft werden, damit er gebessert werde.

Simon.  Er verdient nicht, dass man ihn anders bestrafe als durch
Verachtung.

Der Magister.  Aber wie sollen seine Willenstriebe gebessert werden?

Simon.  Ist denn die Verachtung kein Mittel, ein Herz zu bessern?

Der Magister.  Das will ich itzt nicht ausmachen.  Aber sagen Sie mir,
Herr Simon, ob die Stoiker nicht recht haben, wenn sie behaupten, dass
nur ein Laster ist; oder dass, wo ein Laster ist, die andern alle ihrer
Kraft nach zugegen sind?  Sehn Sie nur Siegmunden an.  Ist er nicht
recht das Exempel zu diesem Paradoxo?

Simon.  Ja, Herr Magister.  Aber wie werden wir Jungfer Lottchen von
der Liebe zu Siegmunden abbringen?  Sie glaubt es ja nicht, dass er
untreu ist.

Der Magister.  Das wird sich schon geben.  O wie erstaunt man nicht
ueber die genaue Verwandtschaft, welche ein Laster mit dem andern hat
und welche alle mit einem haben!  Siegmund wird bei der Gelegenheit
des Testaments geizig.  Ein Laster.  Er strebt nach Julchen, damit er
ihre Reichtuemer bekomme.  Welcher schaendliche Eigennutz!  Er wird
Lottchen untreu und will Julchen untreu machen.  Wieder zwei neue
Verbrechen.  Er kann sein erstes Laster nicht ausfuehren, wenn er nicht
ein Betrueger und Verraeter wird.  Also hintergeht er seinen Freund,
seinen Schwiegervater, Sie, mich und alle, nachdem er einmal die
Tugend hintergangen hat.  Aber alle diese Bosheiten auszufuehren, musste
er ein Luegner und ein Verleumder werden.  Und er ward es.  Welche
unselige Vertraulichkeit herrscht nicht unter den Lastern?  Sollten
also die Stoiker nicht recht haben?

Simon.  Wer zweifelt daran?  Herr Magister.  Ich glaube es, dass Sie
die Sache genauer einsehen als ich und Jungfer Julchen.  Sie reden
sehr wahr, sehr gelehrt.  Sie haben seine Untreue zuerst mit entdeckt,
und wir danken Ihnen zeitlebens dafuer.  Aber entdecken Sie nun auch
das Mittel, Lottchen so weit zu bringen, dass sie sich nicht mit dem
untreuen Siegmund verbindet.

Der Magister.  Darauf will ich denken.  Lottchen ist zu leichtglaeubig
gewesen.  Aber sie kann bei dieser Gelegenheit lernen, wieviel man
Ursache hat, ein Misstrauen in das menschliche Herz zu setzen, wenn Man
es genau kennt und die Erzeugung der Begierden recht ausstudiert hat.
Wir haben so viele Vernunftlehren.  Eine Willenslehre ist ebenso noetig.
  Ist denn der Wille kein so wesentlicher Teil der Seele als der
Verstand?  So wie der Verstand Grundsaetze hat, die sein Wesen
ausmachen: so hat der Wille gewisse Grundtriebe.  Kennt man diese, so
kennt man sein Wesen; und so kennt man auch die Mittel, ihn zu
verbessern.  Jungfer Muhme, reden Sie aufrichtig, habe ich's Ihnen
nicht hundertmal gesagt, dass Siegmund nichts Gruendliches in der
Philosophie weiss?  Dies sind die traurigen Fruechte davon.

Julchen.  Lieber Herr Magister, wenn Sie so viel bei der betruebten
Sache empfaenden als ich, Sie wuerden diese Frage itzt nicht an mich tun.
  Sie haben mich heute eine Fabel gelehrt.  Und ich wollte wuenschen,
dass Sie an die Fabel von dem Knaben gedaechten, der in das Wasser
gefallen war.  Anstatt dass Sie uns in der Gefahr beistehen sollen: so
zeigen Sie uns den Ursprung und die Groesse derselben.  Nehmen Sie meine
Freiheit nicht uebel.

Der Magister.  Ich kann Ihnen nichts uebelnehmen.  Zu einer Beleidigung
gehoert die gehoerige Einsicht in die Natur der Beleidigung.  Und da
Ihnen diese mangelt: so sehen Ihre Reden zwar beleidigend aus; aber
sie sind es nicht.

Simon.  Aber, was wollen Sie denn bei der Sache tun?

Der Magister.  Ich will, ehe die Versprechung vor sich geht, Lottchen
und meinem Bruder kurz und gut sagen, dass ich meine Einwilligung nicht
darein gebe.  Alldann muss die Sache ein ander Aussehn gewinnen.

Simon.  Gut, das tun Sie.


Dreizehnter Aufzug
Julchen.  Simon.

Julchen.  Ich will dem Herrn Magister nachgehen.  Er moechte sonst gar
zu grosse Haendel anrichten.  Entdecken Sie Lottchen, wenn sie koemmt,
die traurige Sache zuerst.  Ich will sorgen, dass Sie Siegmund in Ihrer
Unterredung nicht stoert und Ihnen, wenn ich glaube, dass es Zeit ist,
mit meinem Braeutigame zu Huelfe kommen.

Simon.  Ich will als ein redlicher Mann handeln.  Und wenn ich mir
auch den groessten Zorn bei Ihrer Jungfer Schwester und die
niedertraechtigste Rache von dem Herrn Siegmund zuziehen sollte: so
will ich doch lieber mich als eine gute Absicht vergessen.


Vierzehnter Auftritt

Simon.  Lottchen.


Lottchen.  Was ist zu Ihrem Befehle?  Haben Sie etwa wegen der
zehntausend Taler, die ich meiner Schwester herausgeben soll, etwas zu
erinnern?  Tun Sie nur einen Vorschlag.  Ich bin zu allem bereit.

Simon.  Mamsell, davon wollen wir ein andermal reden.  Glauben Sie
wohl, dass mir Ihr Glueck lieb ist und dass ich ein ehrlicher Mann bin?
So unhoeflich diese beiden Fragen sind: so muss ich sie doch an Sie tun,
weil ich sonst in der Gefahr stehe, dass Sie meinen Antrag nicht
anhoeren werden.

Lottchen.  Mein Herr, womit kann ich Ihnen dienen?  Reden Sie frei.
Ich sage es Ihnen, dass ich ebenden Gehorsam gegen Sie trage, den ich
meinem Vater schuldig bin.  Ich will Ihnen den groessten Dank sagen,
wenn Sie mir eine Gelegenheit geben, Ihnen meine Hochachtung durch die
Tat zu beweisen.  Ich bin ebensosehr von Ihrer Aufrichtigkeit
ueberzeugt als von der Aufrichtigkeit meines Braeutigams.  Kann es Ihnen
nunmehr noch schwerfallen, frei mit mir zu reden?

Simon.  Meine Bitte gereicht zum Nachteile Ihres Liebhabers.

Lottchen.  Will Ihr Herr Muendel etwa das Rittergut gern haben, weil es
so nahe an der Stadt liegt?  Nun errate ich's, warum er itzt gegen den
guten Siegmund etwas verdriesslich tat.  Warum hat er mir's nicht
gleich gesagt?  Er soll es haben und nicht mehr dafuer geben, als Sie
selbst fuer gut befinden werden.  Kommen Sie zur Gesellschaft.  Ich
habe mich wegen des boshaften Briefs, den ich vorhin erhalten,
entschlossen, in Ihrer Gegenwart dem Herrn Siegmund ohne fernern
Aufschub das Recht ueber mein Herz abzutreten und seinen Feinden zu
zeigen, dass ich auf keine gemeine Art liebe.

Simon.  Aber diesen boshaften Brief habe ich schreiben und auf die
Post bringen helfen.

Lottchen.  Ehe wollte ich glauben, dass ihn mein Vater, der mich so
sehr liebt, geschrieben haette.  Sie scherzen.

Simon.  Nein, Mamsell, ich bin zu einem Scherze, den mir die
Ehrerbietung gegen Sie untersagt, zu ernsthaft.  Erschrecken Sie nur,
und hassen Sie mich.  Ich wiederhole es Ihnen, Ihr Liebhaber meint es
nicht aufrichtig mit Ihnen.

Lottchen.  Sie wollen gewiss das Vergnuegen haben, meine Treue zu
versuchen und mich zu erschrecken, weil Sie wissen, dass ich nicht
erschrecken kann.

Simon.  Sie glauben, ich scherze?  Ich will also deutlicher reden.
Ihr Liebhaber ist ein Betrueger.

Lottchen (erbittert).  Mein Herr, Sie treiben die Sache weit.  Wissen
Sie auch, dass ich fuer die Treue meines Liebhabers stehe und dass Sie
mich in ihm beleidigen?  Und wenn er auch der Untreue faehig waere: so
wuerde ich doch den, der mich davon ueberzeugte, ebensosehr hassen als
den, der sie begangen.  Aber ich komme gar in Zorn.  Nein, mein Herr,
ich kenne ja Ihre Grossmut.  Es ist nicht Ihr Ernst, so gewiss, als ich
lebe.

Simon.  So gewiss, als ich lebe, ist es mein Ernst.  Er ist unwuerdig,
noch einen Augenblick von Ihnen geliebt zu werden.

Lottchen.  Und ich werde ihn ewig lieben.

Simon.  Sie kennen ihn nicht.

Lottchen.  Besser als Sie, mein Herr.

Simon.  Ihre natuerliche Neigung zur Aufrichtigkeit, Ihr gutes Zutrauen
macht, dass Sie ihn fuer aufrichtig halten; aber dadurch wird er's nicht.

Lottchen.  Geben Sie mir die Waffen wider Sie nicht in die Hand.  Ich
habe Sie und meinen Liebhaber fuer aufrichtig gehalten.  Ich will mich
betrogen haben.  Aber wen soll ich zuerst hassen?  Ist Ihnen etwas an
meiner Freundschaft gelegen: so schweigen Sie.  Sie veraendern mein
ganzes Herz.  Sie haben mir und meinem Hause viel Wohltaten erwiesen;
aber dadurch haben Sie kein Recht erlangt, mit mir eigennuetzig zu
handeln.  Waere es Ihrem Charakter nicht gemaesser, mich tugendhaft zu
erhalten, als dass Sie mich niedertraechtig machen wollen?  Warum reden
Sie denn nur heute so?

Simon.  Weil ich's erst heute gewiss erfahren habe.  Wenn Sie mir nicht
glauben: so glauben Sie wenigstens Ihrer Jungfer Schwester und meinem
Muendel.

Lottchen.  Das ist schrecklich.  Haben Sie diese auch auf Ihre Seite
gezogen?

Simon.  Ja, sie sind auf meiner Seite sowohl als Ihr Herr Vater.  Und
ehe ich zugebe, dass ein Niedertraechtiger Ihr Mann wird, ehe will ich
mich der groessten Gefahr aussetzen.  Sie sind viel zu edel, viel zu
liebenswuerdig fuer ihn.

Lottchen.  Wollen Sie mir denn etwa selbst Ihr Herz anbieten?  Muss er
nur darum ein Betrueger sein, weil ich in Ihren Augen so liebenswuerdig
bin?  Und Sie glauben, dass sich ein edles Herz auf diese Art gewinnen
laesst?  Nunmehr muss ich entweder nicht tugendhaft sein oder Sie hassen.
 Und bald werde ich Sie nicht mehr ansehn koennen.

Simon.  Machen Sie mir noch so viele Vorwuerfe.  Die groessten
Beschuldigungen, die Sie wider mich ausstossen, sind nichts als Beweise
Ihres aufrichtigen Herzens.  Die Meinung, in der Sie stehen,
rechtfertiget sie alle.  Und ich wuerde Sie vielleicht hassen, wenn Sie
mein Anbringen gelassener angehoert haetten.  Genug...

Lottchen.  Das ist ein neuer Kunstgriff.  Mein Herr, Ihre List, wenn
es eine ist, und sie ist es, sei verwuenscht!  Wie?  Er, den ich wie
mich liebe?...  Sie wollen sich an seine Stelle setzen?  Ist es
moeglich?

Simon.  Dieser Vorwurf ist der bitterste; aber auch den will ich
verschmerzen.  Es ist wahr, dass ich Sie ungemein hochachte; aber ich
habe ein sicheres Mittel, Ihnen diesen grausamen Gedanken von meiner
Niedertraechtigkeit zu benehmen.  Ich will Ihnen versprechen, Ihr Haus
nicht mehr zu betreten, solange ich lebe.  Und wenn ich durch diese
Entdeckung Ihre Liebe zu gewinnen suche: so strafe mich der Himmel auf
das entsetzlichste.  Nach diesem Schwure schaeme ich mich, mehr zu
reden.  (Er geht ab.)



Funfzehnter Auftritt

Lottchen allein.


Gott, was ist das?...  Er soll mir untreu sein?...  Nimmermehr!  Nein!
 Der Vormund sei ein Betrueger und nicht er.  ...  Du, redliches Herz!
Du, mein Freund, um dich will man mich bringen?  Warum beweist er
deine Untreue nicht?



Sechzehnter Auftritt

Lottchen.  Damis.


Lottchen.  Kommen Sie mir zu Huelfe.  Und wenn sie mein Unglueck auch
alle wollen: so sind doch Sie zu grossmuetig dazu.  Was geht mit meinem
Braeutigam vor?  Sagen Sie mir's aufrichtig.

Damis.  Er ist Ihnen untreu.

Lottchen.  Auch Sie sind mein Feind geworden?  Hat Sie mein Liebhaber
beleidiget: so handeln Sie doch wenigstens so grossmuetig und sagen mir
nichts von der Rache, die Sie an ihm nehmen wollen.

Damis.  Mein Herz ist viel zu gross zur Rache.

Lottchen.  Aber klein genug zur Undankbarkeit?  Hat Ihnen mein
Geliebter nicht heute den redlichsten Dienst erwiesen?

Damis.  Wollte der Himmel, er haette mir ihn nicht erwiesen: so wuerden
Sie gluecklicher, und er wuerde nur ein verborgner Verraeter sein.

Lottchen.  Betrueger!  Verraeter!  Sind das die Namen meines Freundes,
den ich zwei Jahr kenne und liebe?

Damis.  Wenn ich die Aufrichtigkeit weniger liebte: so wuerde ich mit
mehr Maessigung vor Ihnen reden.  Aber mein Eifer gibt mir fuer Ihren
Liebhaber keinen andern Namen ein.  Sie, meine Schwester, sind Ihres
Herzens wegen wuerdig, angebetet zu werden, und eben deswegen ist der
Mensch, der bei Ihrer Zaertlichkeit und bei den sichtbarsten Beweisen
der aufrichtigsten Liebe sich noch die Untreue kann einfallen lassen,
eine abscheuliche Seele.

Lottchen.  Eine abscheuliche Seele?  Wohlan; nun fordere ich Beweise.
(Heftiger.)  Doch weder Ihr Vormund noch Sie, noch meine Schwester,
noch mein Vater selbst werden ihm meine Liebe entziehn koennen.  Und
ich nehme keinen Beweis an als sein eigen Gestaendnis.  Ich bin so sehr
von seiner Tugend ueberzeugt, dass ich weiss, dass er auch den Gedanken
der Untreue nicht in sich wuerde haben aufsteigen lassen, ohne mir ihn
selbst zu entdecken.  Und ich wuerde ihn wegen seiner gewissenhaften
Zaertlichkeit nur desto mehr lieben, wenn ich ihn anders mehr lieben
koennte.

Damis.  Ich sage es Ihnen, wenn Sie mir nicht trauen: so gebe ich
Ihnen das Herz meiner Braut wieder zurueck.  Ihnen bin ich's schuldig;
aber ich mag nicht die groesste Wohltat von Ihnen geniessen und zugleich
Ihr Unglueck sehn.

Lottchen.  Sie muessen mich fuer sehr wankelmuetig halten, wenn Sie
glauben, dass ich durch blosse Beschuldigungen mich in der Liebe irren
lasse.  Haben Sie oder ich mehr Gelegenheit gehabt, das Herz meines
Braeutigams zu kennen?  Wenn Sie recht haben, warum werfen Sie ihm
seine Untreue abwesend vor?  Rufen Sie ihn hieher.  Alsdann sagen Sie
mir seine Verbrechen.  Er ist edler gesinnet als wir alle.  Und ich
will ihn nun lieben.

Damis.  Sie haben recht.  Ich will ihn selbst suchen.



Siebenzehnter Auftritt

Lottchen.  Julchen.


Lottchen.  Er geht?  Er untersteht sich, ihn zu rufen?  Nun faengt mein
Herz an zu zittern.  (Sie sieht Julchen.  Klaeglich.)  Meine Schwester,
bist du auch da?  Hast du mich noch lieb?  (Lottchen umarmt sie.)
Willst du mir die traurigste Nachricht bringen?  O nein!  Warum
schweigst du?  Warum koemmt er nicht selbst?

Julchen.  Ich bitte dich, hoere auf, einen Menschen zu lieben, der...

Lottchen.  Er soll schuldig sein; aber muss er gleich meiner Liebe
unwuerdig sein?  Nein, meine liebe Schwester.  Ach nein, er ist gewiss
zu entschuldigen.  Willst du ihn nicht verteidigen?  Vergisst du schon,
was er heute zu deiner Ruhe beigetragen hat?  Warum sollte er mir
untreu sein, da ich Vermoegen habe?  Warum ward er's nicht, da ich noch
keines hatte?

Julchen.  Er ward es zu der Zeit, da er in den Gedanken stund, dass ich
die Erbin des Testaments waere.  Ach, liebe Schwester, wie gluecklich
wollte ich sein, wenn ich dich nicht hintergangen saehe!

Lottchen.  So ist es gewiss?  (Hart.)  Nein!  sage ich.

Julchen.  Ich habe lange mit mir gestritten.  Ich habe ihn in meinem
Herzen, vor meinem Braeutigam, vor seinem Vormunde und vor unserm Vater
entschuldiget.  Ich wuerde sie aus Liebe zu dir noch alle fuer betrogne
Zeugen halten.  Aber es ist nicht mehr moeglich.  Er selbst hat sich
hier an dieser Stelle angeklagt, als du ihn nach dem empfangenen
Briefe verlassen hattest.  Er war allein.  Die Unruhe und sein
Verbrechen redten aus ihm.  Er hoerte mich nicht kommen.  O haett' er
doch ewig geschwiegen!...  Ach, meine Schwester!

Lottchen.  Meine Schwester, was sagst du mir?  Er hat sich selbst
angeklagt?  Er ist untreu?  Aber wie koennte ich ihn noch lieben, wenn
er's waere?  Nein, ich liebe ihn, und er liebt mich gewiss.  Ich habe
ihm ja die groessten Beweise der aufrichtigsten Neigung gegeben...
(Zornig.)  Aber was quaelt ihr mich mit dem entsetzlichsten Verdachte?
Was hat er denn getan?  Nichts hat er getan.

Julchen.  Er hat mich auf eine betruegerische Art der Liebe zu meinem
Braeutigam entreissen und sich an seine Stelle setzen wollen.  Er hat
meinen Vater ueberreden wollen, als ob ich ihn selbst liebte und als
wenn du hingegen den Herrn Damis liebtest.  Er hat ihm geraten, die
Verlobung noch acht Tage aufzuschieben.  Er hat sogar um mich bei ihm
angehalten.

Lottchen.  Wie?  Hat er nicht noch vor wenig Augenblicken mich um mein
Herz gebeten?  Ihr hasst ihn und mich.

Julchen.  Ja, da er gesehen, dass das Testament zu deinem Vorteile
eingerichtet ist.

Lottchen.  Also richtet sich sein Herz nach dem Testamente und nicht
nach meiner Liebe?  Ich Betrogene!  Doch es ist unbillig, ihn zu
verdammen.  Ich muss ihn selbst hoeren.  Auch die edelsten Herzen sind
nicht von Fehlern frei, die sie doch bald bereuen.  (Klaeglich.)
Liebste Schwester, verdient er keine Vergebung?  Mach ihn doch
unschuldig.  Ich will ihn nicht besitzen.  Ich will ihn zu meiner Qual
meiden.  Ich will ihm die ganze Erbschaft ueberlassen, wenn ich nur die
Zufriedenheit habe, dass er ein redliches Herz hat.  O Liebe!  ist das
der Lohn fuer die Treue?



Achtzehnter Auftritt

Die Vorigen.  Siegmund.


Siegmund.  Soll ich nunmehr so gluecklich sein, Ihr Ja zu erhalten?
Der Herr Vater hat mir seine Einwilligung gegeben.  Sie lieben mich
doch, grossmuetige Schoene?

Lottchen.  Und Sie lieben mich doch auch?

Siegmund.  Sie kennen mein Herz seit etlichen Jahren, und Sie wissen
gewiss, dass mein groesster und liebster Wunsch durch Ihre Liebe erfuellt
worden ist.

Lottchen.  Aber...  meine Schwester...  Warum erschrecken Sie?

Siegmund.  Ich erschrecke, dass Sie sich nicht besinnen, dass Sie mir
diese List selbst zugemutet haben.  Sollte ich nicht durch eine
verstellte Liebe Julchens Herz versuchen?  Reden Sie, Mamsell Julchen,
entschuldigen Sie mich.

Julchen.  Mein Herr, entschuldigen kann ich Sie nicht.  Bedenken Sie,
was Sie zu mir und zu meinem Vater und vor kurzem hier in dieser Stube
zu sich selbst gesagt haben, ohne dass Sie mich sahn.  Alles, was ich
tun kann, ist, dass ich meine liebe Schwester bitte, Ihnen Ihre Untreue
zu vergeben.

Siegmund.  Ich soll untreu sein?...  Ich (Er geraet in Unordnung.)  Ich
soll der aufrichtigsten Seele untreu sein?  Wer?  Ich?  Gegen Ihren
Herrn Vater soll ich etwas gesprochen haben?  Was sind das fuer
schreckliche Geheimnisse?...  Sie sehn mich aengstlich an, meine
Schoene?  Wie?  Sie lieben mich nicht?  Sie lassen sich durch meine
Widerlegungen nicht bewegen?...  Sie hoeren meine Gruende nicht an?...
Bin ich nicht unschuldig?...  Wer sind meine Feinde?...  Ich berufe
mich auf mein Herz, auf die Liebe, auf den Himmel.  ...  Doch auch
mich zu entschuldigen koennte ein Zeichen des Verdachtes sein.  ...
Nein, meine Schoene, Sie muessen mir ohne Schwuere glauben.  Ich will Sie,
 ich will meine Ruhe, mein Leben verlieren, wenn ich Ihnen untreu
gewesen bin.  Wollen Sie mir noch nicht glauben?

Julchen.  Herr Siegmund, Sie schwoeren?

Lottchen (mit Traenen).  Er ist wohl unschuldig.

Siegmund.  Ja, das bin ich.  Ich liebe Sie.  Ich bete Sie an und suche
meine Wohlfahrt in Ihrer Zufriedenheit.  Wollen Sie jene vergroessern:
so stellen Sie diese wieder her, und lassen Sie den Verdacht fahren,
den ich in der Welt niemanden vergeben kann als Ihnen.  Soll ich das
Glueck noch erlangen, Sie als die Meinige zu besitzen?

Lottchen (sie sieht ihn klaeglich an).  Mich?...  als die Ihrige?...
Ja!

Julchen.  Meine Schwester!

Lottchen.  Schweig.  Herr Siegmund, ich moechte nur noch ein Wort mit
meinem Papa sprechen, alsdann wollen wir unsere Feinde beschaemen.

Siegmund.  Ich will ihn gleich suchen.  Soll ich die uebrige
Gesellschaft auch mitbringen?  Wir muessen doch die gebraeuchlichen
Zeremonien mit beobachten.

Lottchen.  Ja.  Ich will nur einige Worte mit dem Papa sprechen.
Alsdann bitte ich Sie nebst den andern Herren nachzukommen.



Neunzehnter Auftritt

Julchen.  Lottchen.  Cleon.


Cleon.  Nun, meine Kinder, wenn euch nichts weiter aufhaelt: so saehe
ich's gern, wenn ihr die Ringe wechseltet, damit wir uns alsdann Paar
und Paar zu Tische setzen koennen.  Ei, Lottchen, wer haette heute frueh
gedacht, dass du auf den Abend mit einem Rittergute zu Bette gehen
wuerdest!  Der Himmel hat es wohl gemacht.  Julchen kriegt einen
reichen und wackern Mann, weil sie wenig hat.  Und du, weil du viel
hast, machst einen armen Mann gluecklich.  Das ist schoen.  Dein
Siegmund wird schon erkenntlich fuer deine Treue sein.  Er kann einem
durch seine Worte recht das Herz aus dem Leibe reden.  Der ehrliche
Mann!  Wievielmal hat er mir nicht die Hand gekuesst!  Wie kindlich hat
er mich nicht um meine Einwilligung gebeten!

Lottchen.  Das ist vortrefflich.  Nun lebe ich wieder.  Lieber Papa,
hat Herr Siegmund denn heute bei Ihnen um meine Schwester angehalten?
Das kann ich nicht glauben.

Cleon.  So halb und halb hat er's wohl getan.  Er mochte etwan denken,
dass Herr Damis ein Auge auf dich geworfen haette und dass dir's lieber
sein wuerde, einen Mann mit vielem Gelde zu nehmen.  Ich war anfangs
etwas unwillig auf ihn; aber er hat mich schon wieder gutgemacht.  Man
kann sich ja wohl uebereilen, wenn man nur wieder zu sich selber koemmt.
 Da kommen sie alle.



Zwanzigster Auftritt

Die Vorigen, Siegmund.  Simon.  Damis.  Der Magister.


Cleon.  Endlich erlebe ich die Freude, die ich mir lange gewuenscht
habe.  Ich will Sie, meine Herren, mit keiner weitlaeuftigen Rede
aufhalten.  Die Absicht unserer Zusammenkunft ist Ihnen allerseits
bekannt.  Kurz, meine lieben Toechter, ich erteile euch meinen
vaeterlichen Segen und meine Einwilligung.  (Er sieht Lottchen weinen.)
 Weine nicht, Lottchen, du machst mich sonst auch weichmuetig.

Lottchen.  Meine Traenen sind Traenen der Liebe.  Ich habe also Ihre
Einwilligung zu meiner Wahl?  Ich danke Ihnen recht kindlich dafuer.

Simon (zu Lottchen).  Aber, meine liebe Mamsell, Sie wollen...  Wie?

Damis.  Ach, liebste Jungfer Schwester, ich bitte Sie...

Lottchen.  Was bitten Sie?  Wollen Sie Julchen von meinen Haenden
empfangen?  (Sie fuehrt sie zu ihm.)  Hier ist sie.  Ich stifte die
gluecklichste Liebe.  Und Sie, Herr Siegmund...

Siegmund.  Ich nehme Ihr Herz mit der vollkommensten Erkenntlichkeit
an und biete Ihnen diese Hand...

Lottchen.  Unwuerdiger!  Mein Vermoegen kann ich Ihnen schenken; aber
nicht mein Herz.  Bitten Sie meinem Vater und der uebrigen Gesellschaft,
 die Sie in mir beleidiget haben, Ihre begangene Niedertraechtigkeit ab.
  Ich habe sie Ihnen schon vergeben, ohne mich zu bekuemmern, ob Sie
diese Vergebung verdienen.  (Zum Vormunde.)  Und Ihnen, mein Herr,
kuesse ich die Hand fuer Ihre Aufrichtigkeit.  Wenn ich jemals mich
wieder zur Liebe entschliesse: so haben Sie das erste Recht auf mein
Herz.  (Zu Siegmunden.)  Sie aber werden so billig sein und, ohne sich
zu verantworten, uns verlassen.

Siegmund.  Recht gern.  (Indem er geht.)  Verflucht ist die Liebe!

Damis.  Nicht die Liebe, nur die Untreue.  Dies ist ihr Lohn.

Lottchen (sie ruft ihm noch nach).  Sie werden morgen durch meine
Veranstaltung so viel Geld erhalten, dass Sie kuenftig weniger Ursache
haben, ein redliches Herz zu hintergehn.

Cleon.  Lottchen, was machst du?  Ich bin alles zufrieden.  Du hast ja
mehr Einsicht als ich.

Julchen.  O liebe Schwester, wie gross ist dein Herz!  Gott weiss es,
dass ich keine Schuld an seinem Verbrechen habe.  O wenn ich dich doch
so gluecklich saehe als mich!

Der Magister.  Ich bin ruhig, dass ich das Laster durch mich entdeckt
und durch sich selbst bestraft sehe.  So geht es.  Wenn man nicht
strenge gegen sich selbst ist: so raechen sich unsere Ausschweifungen
fuer die Nachsicht, die wir mit unsern Fehlern haben.

Simon (zu Lottchen).  Ich, meine Freundin, wuerde das Recht, das Sie
mir kuenftig auf Ihr Herz erteilet haben, heute noch behaupten, wenn
ich Ihnen nicht schon das Wort gegeben haette, an dieses Glueck niemals
zu denken.  Ich bin belohnt genug, dass Sie mich Ihrer nicht fuer
unwuerdig halten und dass der Untreue bestraft ist.

Lottchen.  O Himmel!  lass es dem Betrueger nicht uebelgehen.  Wie
redlich habe ich ihn geliebt, und wie ungluecklich bin ich durch die
Liebe geworden!  Doch nicht die Liebe, die Torheit des Liebhabers hat
mich ungluecklich gemacht.  Bedauern Sie mich.

(Ende des dritten und letzten Aufzugs.)


Ende dieses Projekt Gutenberg Etextes Die zaertlichen Schwestern, von
Christian Fuerchtegott Gellert.





End of the Project Gutenberg EBook of Die zaertlichen Schwestern
by Christian Fuerchtegott Gellert

*** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE ZAERTLICHEN SCHWESTERN ***

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